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20 Jahre Animation an der HSLU & kein Ende in Sicht

Interview: Vera Bergen 

Bilder: Hochschule Luzern / Illustration Artikel-Vorschau: Michael Frei

2002 startete der Bachelor Animation als eigenständige Studienrichtung an der Hochschule Luzern HSLU. Inzwischen gehört das schweizweit einzigartige Studium zu den international renommiertesten seiner Art. Abgänger und Abgängerinnen der Studienrichtung feiern weltweit Erfolge mit ihren Kurzfilmen oder als Profis für visuelle Effekte in der Filmbranche. 2021 wurde der Bachelor um einen eigenständigen Master in Animation erweitert. Ein Gespräch mit Professor Jürgen Haas, Leiter Bachelor Animation, über das Studium, den Stellenwert der Animation und berufliche Perspektiven der Studierenden.

Portrait von Jürgen Haas mit schwarzer Brille und blauem Anzug.
Professor Jürgen Haas leitet seit 2014 den Bachelor in Animation an der Hochschule Luzern. (Bild: HSLU)

Jürgen Haas, beginnen wir für Aussenstehende ganz vorne: Was ist überhaupt Animation? 

Animation ein Medium, bei dem einzeln hergestellte Bilder so schnell nacheinander dargestellt werden, dass das Auge mit dem Gehirn zusammen diese zu einer Bewegung zusammensetzt. Es gibt Forschungsarbeiten, die darlegen, dass andersherum die Menschen im Europa des Jungpaläolithikums (45.000 bis 12.000 Jahre vor Christus) bei Tieren wahrgenommene Bewegungen bereits in Einzelbilder aufgesplittet und an die Höhlenwand, beispielsweise in Chauvet, gezeichnet haben. Es gibt einfache mechanische Animationsmaschinen, wie das Zoetrop, mit dem man im 19. Jahrhundert kurze Animationssequenzen betrachten konnte, dann natürlich den klassischen Film auf «Zelluloid» und heute die Computer. Das Prinzip bleibt dasselbe. Ein kurzer Einblick in die vielfältige Welt der Animation gibt das folgende Video der Hochschule Luzern. 

Sie sind seit 2005 bei der Hochschule Luzern im Bereich Animation tätig. Seit 2014 leiten Sie den Bachelor in Animation. Sie haben also 17 der 20 Jahre, indem die Studienrichtung an der Hochschule Luzern besteht, miterlebt. Was hat sich in diesen Jahren in der Welt der Animation verändert? 

Vieles und nichts. Technologisch sind wir durch eine Revolution gegangen, wie alle Bereiche der Lehre und Gesellschaft. Die Digitalisierung hat unglaublich viel ermöglicht und vereinfacht (zugegebenermassen auch an anderer Stelle wieder verkompliziert). Was sich nicht ändert, ist die Leidenschaft der Studierenden und ihr Bedürfnis, Welten zu erfinden und Geschichten zu erzählen.

Ein Bild aus dem HSLU Abschlussfilm Concrete. Es zeigt einen gesprayten Fuchs an einer Wand und eine Trickfilmfigur.
Standbild aus dem Film «Concrete» von Pirmin Bieri, Sirinda Marti, Nicolas Roth & Luca Struchen. Damit haben die vier den Bachelor in Animation an der HSLU abgeschlossen. (Bild: HSLU)

Sie sagen, dass die Animation in den letzten 20 Jahren technologisch revolutioniert wurde. Wer oder was ist denn Treiber für Innovation im Bereich der Technologie?

Technologische Innovationen kommen meist aus der Industrie. Hier geht es vor allem um Geschwindigkeiten bei der digitalen Bildgebung. Doch hier sind wir an einem Höhepunkt angelangt, wo es kein grosses Staunen mehr gibt. So beobachten wir seit einigen Jahren eine starke Retrobewegung hin zum analogen Look. Der Zeichentrick, einst von Disney selbst in die Mottenkiste verbannt, erlebt eine grosse Renaissance. Für uns ist es eine enorme Herausforderung, diese Schwankungen von Interessen seitens der Studierenden mit den technologischen Anforderungen in einen Einklang zu bringen. Im Übrigen ist technologische Innovation oft auch eine Modeerscheinung, wie wir das beim stereoskopischen Kino sehen konnten. Für uns in der Bachelor-Ausbildung spielen diese Hypes keine grosse Rolle, da es auf dieser Ausbildungsstufe darum geht, die Grundlagen der filmischen Bildgestaltung und des Erzählens zu vermitteln. Diese sind weitgehend unabhängig von der verwendeten Technologie.

Filmplakat von Sweet Nothing, einem Film der HSLU, der für das Sundance Festival nominiert war.
«Sweet Nothing» ist die Abschlussarbeit im Bachelor Animation von Joana Fischer und Marie-Christine Kenov. Der Film war am Sundance Filmfestival für einen Preis in der Kategorie bester internationaler Kurzfilm nominiert. (Bild: HSLU)

Wie schnelllebig ist die Welt der Animation? 

Die Welt der Animation ist fluid. Wir haben eine riesige globale Community, es werden sehr viele junge Menschen in der Animation ausgebildet und entsprechend entstehen sehr viele gute Werke. Doch immer wieder erleben wir auch ein Innehalten und Aufmerken zum Beispiel an Festivals und auch bei uns in der Klasse, bei denen wir intensiv wahrnehmen, was dieses Medium und die damit verbundenen Künstler und Künstlerinnen bewirken können.

 

Der gesellschaftliche Stellenwert der Animation hat in den letzten Jahren zugenommen. Woran zeigt sich das? 

Durch das Internet wurde der Film immer mehr zu einem Massenmedium. Das ist auch bei der Animation nicht anders. Die Animation ist aber darüber hinaus in der Lage, grosse emotionale Bindungen zu schaffen. Wir sehen das bei jungen Menschen, die sich sehr stark mit Idolen aus Serien identifizieren. Unsere Studierenden wurden sehr von diesen Serien aus dem Internet sozialisiert, was den grossartigen Nebeneffekt hat, dass sie fast ausnahmslos hervorragende Englischkenntnisse mitbringen. Ein weiterer Faktor für den grösseren Stellenwert der Animation ist das zunehmende Bedürfnis in Wissenschaft und Gesellschaft, komplexe Zusammenhänge verständlich darzustellen. Das kann kein anderes Medium besser leisten als die Animation, vorausgesetzt natürlich, dass dies von entsprechend ausgebildeten Menschen sorgfältig gemacht wird.

Superheld Buzz Lightyear
Buzz Lightyear ist einer der Helden im Film «Toy Story», der 1995 der erste vollständig am Computer erstellte Animations-Langfilm in den Kinos war. (Quelle: Pixabay)

Wo endet Animation? 

In der Unendlichkeit - und noch viel weiter.

(Anmerkung der Redaktion: In Anlehnung an das Zitat von Buzz Lightyear in Toy Story).

Die Hochschule Luzern feiert dieses Jahr das 20 Jahr Jubiläum des Bachelors in Animation. Was lernen Studierende denn dort überhaupt? 

Wenn eine talentierte Geigerin mit einem Musikstudium beginnt, ist sie normalerweise bereits so gut, dass sie in den meisten Orchestern zumindest in den hinteren Reihen mitspielen kann. In der Animation ist das ganz anders. Die neuen Bachelor-Studierenden sind alle talentierte Zeichnerinnen und Geschichtenerzähler, aber die wenigsten sind schon tiefer in die Animation vorgedrungen, da dies normalerweise nicht in der Schule unterrichtet wird. Das bedeutet, dass wir bei einem Grossteil technologisch mit den absoluten Grundlagen beginnen müssen. Alle Studierenden lernen zuerst einmal die drei Grundtechnologien der Animation: Zeichentrick, Puppentrick (Stop Motion) und Computeranimation. Im Anschluss finden sie auf ihrem Weg durch das Curriculum heraus, was ihre Vorlieben sind, wo ihre Talente stecken. Dabei arbeiten sie in Gruppen oder künstlerisch autark. Das Grossartige der Animation ist ihre Vielfalt. Man kann sagen, dass wir parallel an die 10 verschiedene Berufsbilder ausbilden, was natürlich eine grosse Herausforderung an das Curriculum und die Infrastruktur bedeutet. Eigentlich müssten wir einen 4-jährigen Bachelor anbieten, um den Anforderungen der Berufswelt gerecht zu werden. Aber in drei Jahren kann man bei uns schon sehr weit kommen.

Das Gebäude der HSLU Design und Kunst in Emmenbrücke.
Das HSLU-Departement «Design & Kunst» befindet sich am Standort Viscosistadt in Emmenbrücke. (Bild: Florian Amoser)

Wie wird die Ausbildung im 2021 geschaffenen Master in Animation vertieft? 

Im Master konzentrieren sich die Studierenden auf eine grössere, komplexere Arbeit. Dies kann ein kurzer Autorenfilm sein oder auch das Konzept eines Langfilms oder einer Serie. Ein gutes Film- oder Serienkonzept ermöglicht dann den Kontakt zu Produktionsfirmen aus der Schweiz und/oder Europa, die dieses dann in internationalen Koproduktionen umzusetzen. Auch wenn sehr viel entsteht. Gute Inhalte sind immer händeringend gesucht. Dies wollen wir im Master verstärkt aufgreifen. 

Was für berufliche Perspektiven haben die Studierenden nach Abschluss des Bachelors / Masters in Animation?

Unsere Studierenden finden sehr gut Anschluss an das Berufsleben. Wichtig ist aber, flexibel und neugierig zu bleiben. Wer eine starre Vorstellung von einem gewissen Berufsbild hat, wird vielleicht Probleme bekommen. Unsere vielfältige Ausbildung gibt den Studierenden aber die Grundlagen für sehr viele Einsatzbereiche. Und wer hoch hinaus will, muss natürlich auch ins Ausland gehen wollen. Sehr viele unserer Absolventinnen arbeiten in London, Kanada oder Deutschland, zum Teil bei renommiertesten Animationsfirmen. Wir hoffen daher darauf, dass die Schweiz wieder zu einem besseren Verhältnis zur EU findet, das würde einiges erleichtern. Dann haben wir noch das Problem, dass die Schweiz und besonders die Zentralschweiz nicht so ganz mit den Zeichen der Zeit zu gehen bereit ist, was die Förderung der Filmindustrie anbelangt. Aber wir sind sicher, dass wir mit der Qualität unserer Ausbildung und der Kraft des Mediums Animation über kurz oder lang eine Bresche schlagen werden.


Die Hochschule Luzern feiert das Jubiläum des Bachelors in Animation am Standort 745 Viscosistadt in Luzern-Emmenbrücke. Auszug aus dem Programm:

> Öffentliche Ausstellung (10. bis 18. November 2022): Besucherinnen und Besucher tauchen in virtuelle Welten und raumfüllende animierte Installationen ein

> Öffentliche Filmrevue (10. November 2022): Gezeigt werden unter anderem preisgekrönte Abschlussarbeiten aus dem HSLU-Animationsstudium sowie das Programm «Rigid Bodies» mit Filmen des britischen Videokünstlers Ed Atkins

> Fachtagung «Dimensions of Animation» (10. bis 12. November 2022): Filmwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie HSLU-Alumni und -Dozierende diskutieren die zahlreichen Dimensionen des Mediums Animation. Um Anmeldung wird gebeten.


Auch interessiert an einem Studium an der HSLU im Bereich «Design & Kunst»? 

Am Freitag, 25. und Samstag, 26. November 2022 stellt die HSLU ihre Werkstätten, Ateliers und Unterrichtsräume am Standort 745 Viscosistadt in Luzern-Emmenbrücke vor. Weitere Infos und Anmeldung.

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