Interview: Vera Bergen / Bilder: Christoph Arnet
31 Studierende haben erfolgreich den Joint Medical Master absolviert. Dieses gemeinsame Studienprogramm der Universitäten Luzern und Zürich in Kooperation mit Zentralschweizer Gesundheitsinstitutionen bietet seit Herbst 2020 eine einzigartige Ausbildung in Humanmedizin. Der Abschluss des ersten Jahrgangs markiert nun einen bedeutenden Meilenstein. Luca Siragusa und Mathilde Dobler teilen ihre persönlichen Erfahrungen im Rahmen des Joint Medical Master.
Luca Siragusa und Mathilde Dobler, herzliche Gratulation zum erfolgreichen Abschluss des Joint Medical Masters an der Universität Luzern. Was ist das für ein Gefühl nun ein eidgenössisches Diplom in den Händen zu halten?
(Mathilde Dobler MD) Die Vorbereitung auf das Staatsexamen war eine intensive und anspruchsvolle Zeit. Zu wissen, dass sich all diese investierten Stunden gelohnt haben, ist ein sehr schönes Gefühl. Ich habe auch noch nicht realisiert, dass ich bald als Ärztin arbeiten werde, aber ich bin sehr gespannt auf dieses nächste Kapitel.
(Luca Siragusa LS) In erster Linie bin ich froh, die Prüfungen bestanden zu haben. So geht es wahrscheinlich allen. Es bedeutet, dass ich nun als Arzt arbeiten kann und ich ein erstes grosses Ziel in meinem Leben erreicht habe. Das habe ich aber noch nicht ganz realisiert. Zuerst einmal muss ich mich an all die Veränderungen gewöhnen, die seit Abschluss des Studiums passieren, aber ich freue mich auf alles, was kommt.
Wo sehen Sie Vorteile, wenn man als Pionier oder Pionierin ein neues Studium beginnt?
(LS) Wir können nur aus Luzerner Sicht berichten. Hier hatte es viele Vorteile, Teil eines neuen Studienganges zu sein: Die Lehrpersonen sind sehr motiviert zu unterrichten und sich ständig zu verbessern. Wir konnten an vielen Stellen Rückmeldungen geben und Wünsche zum Unterricht anbringen. So können beispielsweise aktuelle Themen aus dem Bereich Humanmedizin einfacher in ein neues Curriculum eingebaut werden als in einen seit Jahren bestehenden Studiengang.
(MD) Wir waren eine sehr kleine Gruppe von Studierenden im Vergleich zu anderen Unis. Das macht die Kommunikation zwischen Studierenden und Universität viel einfacher und persönlicher. Das Ganze war sehr familiär und das habe ich sehr geschätzt.
Joint Medical Master der Universitäten Luzern und Zürich
Seit Herbst 2020 nehmen pro Jahr rund 40 Studierende ihr Masterstudium Humanmedizin an der Universität Luzern auf, welches in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich angeboten wird. Die praxisorientierte Ausbildung vermittelt den Studierenden ein breites Verständnis für relevante Krankheitsbilder sowie die Aufgaben und Rollen von Ärztinnen und Ärzten in verschiedenen Gesundheitssektoren. Das Hauptziel ist das erfolgreiche Bestehen der Eidgenössischen Abschlussprüfung, die für den Beginn der ärztlichen Weiterbildung erforderlich ist. Schwerpunkte im Curriculum umfassen medizinische Grundversorgung, interprofessionelle Zusammenarbeit und Gesundheitssystemwissenschaft. Die Ausbildung findet hauptsächlich in der Zentralschweiz statt, fördert durch kleine Kohorten den interaktiven Unterricht und ermöglicht einen engen Austausch zwischen Studierenden, Dozierenden und dem Studiendekanat.
Inwiefern gab es für Sie auch Nachteile, die ersten zu sein, welche ein neues Studium begannen?
(LS) Ich weiss nicht, ob es wirklich ein Nachteil ist. Wenn man zu den Ersten gehört, heisst das auch, dass man niemanden hat, der das Ganze schon mal erlebt hat und von dessen Erfahrungen man allenfalls profitieren könnte. Nun gibt es mit uns ja bereits Studierende, welche Erfahrungen mit dem Masterstudiengang haben. Ob sich dies für unsere Nachfolgerinnen und Nachfolger als Vorteil herausstellt, wird sich jedoch erst in den kommenden Jahren zeigen.
(MD) Gerade bei organisatorischen oder administrativen Sachen fehlte es vielleicht etwas an Erfahrung, um den unkompliziertesten Weg zu gehen. Da die Studiengangsleitung aber offen für Rückmeldungen ist und aus den Erfahrungen lernen möchte, kann man dies auch nicht wirklich als Nachteil bezeichnen.
Sie haben es bereits angedeutet. Ihre Rückmeldungen waren sehr erwünscht. Wie lief dies genau ab?
(MD) Nach vielen Lehrveranstaltungen mussten wir eine Evaluation ausfüllen und wurden immer wieder dazu motiviert, sowohl positives als auch negatives Feedback zu geben. Man hat gemerkt, dass die Universität Luzern sehr darum bemüht war, aktuelle Themen in das Studienprogramm einzubauen und wir konnten auch selber Themen für das Curriculum vorschlagen.
(LS) Diesbezüglich gab es auch eine enge Zusammenarbeit zwischen Studiengangsleitung und Fachverein, im Rahmen dessen wir schon sehr früh in die Planung des Masterprogramms mit einbezogen wurden.
Wenn Sie als Botschafter oder Botschafterin für dieses Studium auftreten, wie preisen Sie es an?
(LS) Viele Faktoren sind wahrscheinlich sehr subjektiv: Je nachdem, was einem an einer Universität beziehungsweise einem Studium wichtig ist. Was für mich wirklich heraussticht und ich glaube auch, Luzern von allen anderen medizinischen Fakultäten unterscheidet, ist der unkomplizierte und familiäre Umgang mit der Studiengangsleitung. Dieser ist es, wie erwähnt, sehr wichtig mit den Studierenden zusammenzuarbeiten und bei Problemen gemeinsam eine Lösung zu finden.
(MD) Ich war nur für die letzten zwei Jahre in Luzern. Als ich und zwei Kolleginnen gemeinsam nach Luzern gewechselt sind, wurden wir mit offenen Armen empfangen und in die Gruppe aufgenommen. Ich fand es wirklich schön zu sehen, wie Studierende und Studiengangsleitung als Team zusammenarbeiten und wie offen und unkompliziert die Kommunikation und der Umgang untereinander sind.
Falls Sie Vergleichsmöglichkeiten haben: Was bietet dieses Studium, was andere Studiengänge in ähnlichen Gebieten nicht bieten?
(LS) Das Medizinstudium unterscheidet sich sehr stark von anderen Studiengängen, auch solchen in ähnlichen Gebieten. Dies einerseits organisatorisch. Im Medizinstudium ist der Stundenplan fix vorgegeben und man hat verhältnismässig viele Pflichtveranstaltungen. Andererseits ist auch das Inhaltliche fast nicht mit anderen Studiengängen zu vergleichen. Wir lernen den ganzen Körper des Menschen sehr gut kennen, haben auch Leichen seziert - so etwas wäre in einem anderen Studiengang undenkbar. Auch der Kontakt zu kranken bis schwerkranken Menschen, die Konfrontation mit harten Schicksälen und dem Tod, all diese Sachen machen das Medizinstudium sehr speziell, zum Teil herausfordernd aber auch sehr spannend.
(MD) Das Medizinstudium ist an jeder Universität ein wenig anders, manche legen mehr Fokus auf Theorie und andere auf praktische Kurse. Ich würde sagen, an der Universität Luzern hatten wir eine gute Mischung aus beidem.
Es ist eine Idee des Studienganges vermehrt künftige Hausärzte und Hausärztinnen auszubilden und den Standort Zentralschweiz zu stärken. Inwiefern ist das für Sie ein Thema?
(LS + MD) Der Joint Medical Master hat sich zum Ziel gesetzt, die Grundversorgung zu stärken, wozu auch die Hausarztmedizin gehört. Im Verlauf des Studiums sind wir deshalb immer wieder in Kontakt mit diesem Thema gekommen und haben verschiedene Aspekte und Möglichkeiten im Bereich Hausarztmedizin mitbekommen. Obwohl es für uns aktuell kein Ziel ist in diesem Bereich zu arbeiten, gibt es jedoch einige Mitstudierende, welche diese Karriere anstreben. Den Standort Luzern hat das Studium unserer Meinung nach aber klar gestärkt. Einerseits, weil sich durch das Studium in Luzern allenfalls mehr Menschen vorstellen können, am Ende der Weiterbildung in Luzern zu arbeiten. Andererseits wird der Standort auch durch die vermehrte universitäre Ausrichtung der Spitäler gestärkt.
Mit dem Abschluss des Joint Medical Masters sind Sie nun berechtigt, als Assistenzarzt/ärztin zu praktizieren und sich zu Fachärzten/Fachärztinnen weiterzubilden. Wie geht es für Sie nun weiter? Und wo sehen Sie sich langfristig?
(LS) Als nächstes werde ich an meiner Dissertation arbeiten und einen Sprachaufenthalt machen. Im April nächsten Jahres beginne ich als Assistenzarzt auf der Inneren Medizin am Kantonsspital Baden. Wo ich mich langfristig sehe, ist eine schwierige Frage, da unsere Zukunft durch viele berufliche und persönliche Faktoren beeinflusst wird. Bereichsmässig könnte ich mir aber die Notfall- oder Intensivmedizin sehr gut vorstellen. Sollte ich einmal genug davon haben und etwas Ruhe brauchen, könnte ich mir doch auch vorstellen, in einer Praxis in Luzern zu arbeiten.
(MD) Ich beginne im Dezember als Assistenzärztin auf der Inneren Medizin im Spital Bülach. Langfristig wird es bei mir wahrscheinlich auch Richtung Notfallmedizin oder Intensivmedizin gehen. Ich sehe mich aktuell nicht in einer Praxis arbeiten, aber wer weiss, was die Zukunft bringen wird. Es kann sich noch viel ändern. Für die nächsten paar Jahre werde ich sicher in der Deutschschweiz bleiben, aber langfristig könnte ich mir gut vorstellen, in die Westschweiz zurückzukehren oder zumindest näher bei meiner Familie zu wohnen.
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