Text: Prof. Dr. Bruno Staffelbach, Rektor Universität Luzern
Fotos: Uni Luzern
Die Universität Luzern plant zwei neue Fakultäten: Anfang 2023 soll das bestehende und bereits etablierte Departement für Gesundheitswissenschaften und Medizin zu einer eigenen Fakultät ausgebaut werden. Neu gegründet werden soll die Fakultät für Verhaltenswissenschaften und Psychologie. Fachleute aus diesen Bereichen sind auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt, erläutert der Rektor der Universität Luzern, Prof. Dr. Bruno Staffelbach.
Die Universität Luzern ist keine Volluniversität, sondern eine Sparten- bzw. eine fokussierte oder eine spezialisierte Uni. So wie die ETH spezialisiert ist auf Naturwissenschaften und Technik, so ist die Uni Luzern fokussiert auf Menschen und ihre Institutionen. Was uns aber fehlt, ist das Erleben und Verhalten der Menschen. Wir sind eine humanwissenschaftliche Universität, aber psychologisch blind. Wir können nicht erklären, warum z.B. Menschen extremistisch, böse und straffällig werden, warum gescheite Menschen dumme Entscheide treffen oder warum Menschen Chirurgie und Reha vorziehen wo doch Prävention weniger schmerzt und erst noch günstiger ist. Um das humanwissenschaftliche Profil der Universität Luzern abzurunden, braucht es eine Fakultät für Verhaltenswissenschaften und Psychologie.
Gesundheitswissenschaften und Medizin: etabliert
Das Departement für Gesundheitswissenschaften und Medizin wurde 2019 gebildet, indem das 2008 gegründete Seminar für Gesundheitswissenschaften und der mit der Universität Zürich angebotene Joint Medical Master organisatorisch zusammengefasst wurden. Die Umwandlung des Departements in eine Fakultät erfolgt kostenneutral; die künftige Fakultät ist bereits aufgebaut und der Aufbau finanziert.
Die Fakultät hat die drei Fachbereiche Gesundheitswissenschaften, Medizin und Rehabilitation.
· Bei den Gesundheitswissenschaften geht es darum, Fragen zu beantworten, was man politisch, ökonomisch, im Sozialverhalten und im Bereich Information und Kommunikation vorkehren soll, um gesund zu bleiben.
· In der Medizin geht es um die Diagnose und um Therapien um wieder gesund zu werden.
· Und bei der Rehabilitation geht es um die Funktionsfähigkeit von Menschen (soziale Partizipation und Wohlbefinden) mit Krankheit, nach einem Unfall und beim Älterwerden.
Bei den Gesundheitswissenschaften haben wir seit 2021 ein Bachelorstudium, und seit je her ein Masterstudium und ein Doktorats-Programm. In der Medizin erfolgt der Bachelor an der Uni Zürich, der Master und ein allfälliges Doktorat an der Uni Luzern (zusammen mit dem Luzerner Kantonsspital (LUKS), dem Paraplegiker-Zentrum Nottwil, der Luzerner Psychiatrie, der Klinik Hirslanden St. Anna und dem Zentrum für Hausarztmedizin und Community Care). Rehabilitation ist – zusammen mit Nottwil – im Aufbau.
Beitrag gegen den Fachkräftemangel
Mit dem Joint Medical Master können wir dem Mangel an Ärztinnen und Ärzten vor allem in den Bereichen Hausarztmedizin und Grundversorgung begegnen. Gesundheitswissenschaftler übernehmen Positionen, wo früher teure Ärztinnen und Ärzte tätig waren, etwa in der Gesundheitsverwaltung von Bund und Kantonen, in der Gesundheitsversorgung von Spitälern, Kliniken und Heimen und/oder in der Versicherung und in der Industrie. Abnehmer sind z.B. die CSS-Versicherungen, Roche, das Paraplegiker-Zentrum Nottwil, Das Bundesamt für Gesundheit (BAG), Pharma- und Biotechfirmen und verschiedene Spitäler, Kliniken und Heime.
Verhaltenswissenschaften: andocken an Bestehendes
Bei den Verhaltenswissenschaften haben wir schon in verschieden Fakultäten Aktivitäten, etwa zum moralischen Verhalten, zum religiösen Verhalten, zum Finanzverhalten, zum Gesundheitsverhalten, zum Organisationsverhalten. Hier wollen wir drei Forschungsthemen adressieren, die für unser Leben wichtig sind, die an anderen Universitäten nicht gleich thematisiert werden und wozu alle unsere Fakultäten Beiträge machen können:
· Die Inklusionsforschung, z.B. warum Gesellschaften zerfallen, was der soziale Kitt ist, und welches die Bedingungen und Folgen von Einsamkeit sind;
· Die Unternehmensforschung, insbesondere die Bedingungen und Folgen der Digitalisierung und der Nachhaltigkeit für die Strukturen, Prozesse und das Verhalten von Unternehmen;
· Die Resilienzforschung, vor allem die Resilienz von Gesundheitssystemen.
Psychologie: Angebote mit Alleinstellungsmerkmalen
Im Bereich der Psychologie strebt die Universität Luzern Vertiefungen an, die schweizweit nicht oder kaum angeboten werden, wofür sie Alleinstellungsmerkmale entwickeln kann und die mit ihren bisherigen Stärken in Verbindung sind. Das sind:
· Erstens: Rechtspsychologie. Keine Universität in der Schweiz bietet Rechtspsychologie an, also planen wir eine Vertiefung in Rechtspsychologie.
· Zweitens: Kinder sind die Schwachen der Gesellschaft, denen die Zukunft gehört. Dazu gibt es in der Schweiz nur eine einzige Assistenzprofessur und postgraduale Weiterbildungen in Basel. Also planen wir eine Vertiefung in Kinder- und Jugendpsychologie.
· Und drittens ist das Biotop Luzern mit dem LUKS, mit Nottwil, der SUVA und den grössten Krankenversicherern ein Biotop von Gesundheit und Rehabilitation. Also planen wir eine Vertiefung in Gesundheits- und Rehabilitationspsychologie.
Aufbau finanziert
Gemäss Beschluss des Kantonsrates muss die Universität Luzern den Aufbau wie seinerzeit bei der Wirtschaftsfakultät und beim Departement für Gesundheitswissenschaften und Medizin GWM selber finanzieren. Dies ist bereits gesichert: die Universität Luzern hat von einer Privatperson und von zwei Stiftungen Zusagen von mehr als 8 Millionen Franken erhalten. Alle Donationen unterliegen den Richtlinien für die Annahme von privaten Drittmitteln.
Einmal aufgebaut, ist der Betrieb mit den IUV-Beiträgen, mit Bundesbeiträgen, mit den eingeworbenen Forschungsmitteln und mit einer Erhöhung des Grundbeitrages des Kantons im Umfang von CHF 700'000.- pro Jahr zur Finanzierung der Fixkosten der Fakultät sichergestellt.
Gefragt auf dem Arbeitsmarkt
In den letzten 10 Jahren ist die Zahl der Studierenden der Psychologie in der Schweiz um 65% auf knapp 13'000 im Studienjahr 2020/21 gestiegen - wovon 425 Luzernerinnen und Luzerner. Der Arbeitsmarkt saugt diese Absolventinnen und Absolventen ab. Fünf Jahre nach Abschluss eines Masterstudiums in Psychologie sind 99,7% von ihnen erwerbstätig. Sie sind auf dem Arbeitsmarkt sehr flexibel einsetzbar. Viele Psychologinnen und Psychologen sind im Gesundheitswesen tätig, aber das Wirkungsfeld geht weit darüber hinaus - beispielweise in Schulpsychologischen Dienste, Laufbahn- und Organisationsberatung, Marketing, Ergonomie und Mensch-Computer-Interaktion, Verkehrspsychologie, Soziale Dienste, öffentliche Verwaltung, Rechtspsychologie und weiteren Bereichen mehr.
Auch eine Anstellung im Gesundheitswesen ist vielfältig. Da geht es z.B. um betriebliches Gesundheitsmanagement und Prävention, um neuropsychologische Abklärungen nach Unfällen im Strassenverkehr, um das Training kognitiver Funktionen älterer Mitmenschen sowie um verschiedene psychotherapeutische Interventionen. Auch im Kinder- und Jugendpsychologischen Bereich besteht enormer Bedarf.
Kantonsrat entscheidet im Herbst
Zur Schaffung der neuen Fakultäten ist eine Anpassung des Universitätsgesetzes nötig. Geplant ist, dass der Kantonsrat die Vorlage im September und Oktober 2022 in zwei Sessionen berät. Sie unterliegt dem fakultativen Referendum und soll auf den 1. Februar 2023 in Kraft treten.
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Medienmitteilung vom 13. Juni
2022: Kantonsrat entscheidet über zwei neue Fakultäten
Gesamter Redetext von Rektor Bruno Staffelbach anlässlich der Medienkonferenz vom 13. Juni 2022 (dieser Blog-Text ist eine gekürzte Version des Redetextes)
Botschaft und Gesetzesentwurf: Universität Luzern: Gründung von zwei neuen Fakultäten; Entwurf Änderung des Universitätsgesetzes
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