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Lesen? Lesen!

Die Pisa-Studie 2018 zeigt für die Schweizer Schülerinnen und Schüler erfreuliche Resultate in Mathematik. Weniger gut sieht es in Sachen Lesekompetenz aus. Die Hälfte der Befragten liest nie «aus Vergnügen». Dies trifft vor allem auf die Buben zu, die signifikant schlechter abschneiden als die Mädchen.

An den Luzerner Schulen kennt man die Probleme der Schülerinnen und Schüler mit dem Lesen und legt bereits seit längerer Zeit besonderen Wert auf die Förderung der Lesekompetenz*. Denn Lesen gilt als Kulturtechnik, die in all unsere Lebensbereiche hineinwirkt.

Gemütlich, ungezwungen und hell ist der Leseraum an der Primarschule Sprengi in Emmen. Bilder: Primarschule Sprengi
Gemütlich, ungezwungen und hell ist der Leseraum an der Primarschule Sprengi in Emmen. Bilder: Primarschule Sprengi

Lesen braucht Ruhe, Zeit und Konzentration

Neben dem eigentlichen Lesetraining, z.B. mit Lautleseverfahren, sollen die Lernenden zur Lektüre von ganzen Büchern motiviert werden. Es gilt also, im Unterricht Zeit und Raum anzubieten, um individuell zu lesen: Regelmässige Lesezeiten, Begleitung der schwächeren Lesenden, vorlesen und über Gelesenes austauschen oder der individuelle Genuss eines Hörbuchs erhöhen die Leselust. Thematische Bücherkisten, Leserituale und ein besonderer Leseplatz, z.B. mit einem Kissen auf dem Boden, wirken unterstützend.

Lesende haben aber auch das Recht, ein Buch wegzulegen. Jedem Buch sollte jedoch die «Zehn-Seiten-Chance» gewährt werden, bevor es ungelesen aus der Hand gelegt wird. Bei jungen Lesenden gilt eher die «Drei-Seiten-Chance»!

 

Daniel Keel vom Diogenes Verlags, sagt: «Zum Lesen benötigt man Ruhe und das, was wir zu wenig haben: Zeit, Energie und Konzentration.» Wenn die Lernenden im Unterricht die Ruhe und die Zeit zum Lesen bekommen, finden sie in eine Geschichte hinein und entwickeln bestenfalls Freude am Lesen. Diese Lesefreude zu wecken und die Energie und Konzentration zu erhalten, sind Ziele, die in vielen Schulzimmern und auch in Tagesstrukturen mit vielfältigen Aktivitäten immer wieder angegangen werden.

Kinder lieben regelmässige Vorlesesequenzen

An der Primarschule Riffig/Sprengi in Emmen beispielsweise steht die Leseförderung im laufenden Schuljahr im Fokus. Schon länger finden regelmässige Lesestunden mit allen Klassen - bekannt auch unter «Sprengi liest» - statt. Nun kommen noch verschiedene grosse, klassenübergreifende Schulanlässe dazu: Einstiegsritual zum Vorlesen, Autorenlesungen, Leseabend oder Literaturcafé am Tag der Volksschulen.

 

Schulleiter Roland Amstein sagt: «Wir sind überzeugt, dass (Vor-)Lesen und Erzählen als Unterrichtsritual verankert sein muss, um die Lust der Kinder zu wecken, selber auch mal ein Buch in die Hand zu nehmen. Deshalb ist bei uns eine Deutschlektion pro Woche für das Vorlesen reserviert». Kommt dazu, dass die Kinder regelmässige Vorlesesequenzen lieben.

Lesezimmer mit Schülerinnen und Schülern
Die Schule Riffig/Sprengi unterhält zwei Leseräume, wo in Wohnzimmeratmosphäre gerne gelesen wird.

Lesen als sinnliches Erlebnis

Die Lehrpersonen können die Lektion nach eigenem Gutdünken aufteilen und stufengerechte Geschichten vorlesen. Dafür hat die Schule zwei gemütliche Lesezimmer eingerichtet, welche aus dem Leseritual zusätzlich ein sinnliches Erlebnis machen. Als Vorleser und Vorleserinnen werden neben den Lehrpersonen auch mal andere Kinder (Göttiklassen, Klassen der Sekundarstufe) oder Eltern eingeladen. Am Leseabend erzählen Vorleser/innen aus dem Kreis der Eltern Geschichten, welche sie selber mitbringen, gerne auch einmal in einer anderen Sprache.

 

Pro Stufe gibt es eine Bücher-Schatzkiste mit 25 – 30 neuen Büchern. Diese zirkuliert von Klasse zu Klasse. Die Bücher können zum Vorlesen in der Klasse verwendet oder aber an die Kinder ausgeliehen werden. Am Ende des Schuljahres werden die Kisten ins Inventar der Schulbibliothek integriert. Über die gelesenen Bücher führen die Kinder des Zyklus 2 je einzeln ein Lesetagebuch. Je nach Stufe können die Einträge Buchrezensionen, Zusammenfassungen, Veranschaulichungen usw. sein. Im Zyklus 1 führen die Lehrpersonen mit den Kindern ein Klassentagebuch, in dem sie ihre Erfahrungen mit einem Lesestoff veranschaulichen. Laufend werden Beispiele aus diesen Aktivitäten im Schulhaus ausgestellt.

 

Schulleiter Amstein ist überzeugt, dass sich so auch «Lesemuffel» zum Lesen motivieren lassen. Ganz wichtig sei dabei der Einbezug der Eltern und der Tagesstrukturen. «Diese Unterstützung hilft unserer Schule und die Kinder realisieren, dass auch ihre Bezugspersonen das Lesen wertschätzen. An Elternabenden machen wir den Eltern Mut, sich als Erzähler/Vorleser zu zeigen und sich mit ihren Kindern mit einem Buch aufs Sofa zu setzen statt vor den Fernseher.» Ziel ist, aus dem Lesen ein sinnlich-reizvolles Vergnügen zu machen und es etwas von der schulischen Lernaktivität wegzurücken. 

 

Der Lerneffekt stelle sich dann automatisch ein. «Wenn das Lesen mehr auf die Beziehungsebene verlagert wird, kann es gelingen, auch bei den Lesemuffeln - seien das nun Mädchen oder Buben - die Lesefreude zu wecken.», davon ist Amstein überzeugt.


*Eine gute Lesekompetenz zeichnet sich dadurch aus, dass bei den Leserinnen und Lesern das Wortlesen mehr und mehr automatisiert vor sich geht und mehr oder weniger fehlerfrei, mit einer gewissen Geschwindigkeit sowie einer angemessenen Betonung gelesen werden kann. Leseflüssigkeit ist als also das Zauberwort, weil erst durch flüssiges Lesen das verstehende Lesen möglich wird.

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