Interview: Romy Villiger, Dienststelle Volksschulbildung
Sie kennt die Volksschule aus ihrer vielfältigen und langjährigen Tätigkeit als Lehrerin und als Bereichsleiterin Unterricht und Beauftragte Primarschule: Josy Jurt hat unzählige Projekte in der Dienststelle Volksschulbildung geleitet und mitgeprägt. Nun geht sie Ende Juli 2021 in Pension.
Josy Jurt, wir kennen dich in der DVS als in allen pädagogischen Fragen sehr versierte Kollegin. Erzähl uns doch, wie du zu diesem umfassenden Wissen und dem grossen Erfahrungsschatz kamst.
Josy Jurt: Ich bin tatsächlich Pädagogin, durch und durch. Das Kind steht für mich immer an erster Stelle. Begonnen hat diese Passion mit der Ausbildung zur Primarlehrerin im Seminar Baldegg. Anschliessend habe ich auf diversen Stufen ca. 16 Jahre unterrichtet. Zeitgleich war ich Übungsschullehrerin, das heisst ich leitete künftige Lehrpersonen im Unterrichten an, und unterrichtete Fachdidaktik Deutsch an den Seminaren Baldegg und Hitzkirch. Zudem war ich viele Jahre Inspektorin, übrigens damals die jüngste im Kanton Luzern und erst noch eine Frau!
Josy Jurt Betschart geht nach rund 20 Jahren als Bereichsleiterin Unterricht und als Beauftragte Primarschule in der Dienststelle Volksschulbildung in Pension. Sie ist verheiratet und Mutter von zwei erwachsenen Kindern und lebt mit ihrem Ehemann in Hochdorf (LU).
Neuland Pensenteilung und verschiedene Familienmodelle
Hören wir da eine Portion Pioniergeist heraus?
Entwicklungen haben mich immer brennend interessiert. Ich wollte Neues ausprobieren und umsetzen. So war ich beispielweise eine der ersten Lehrpersonen im Kanton, die in Pensenteilung unterrichtete. Diese Lust am Entwickeln, am mutig Voranschreiten, am Ausloten von Freiräumen konnte ich auch in den verschiedenen kantonalen Kommissionen ausleben, bei denen ich mitgearbeitet habe. Ich erinnere mich an die Kommission M&U (Mensch und Umwelt). Dort wagten wir öffentlich zu thematisieren, dass neben dem traditionellen Familienmodell Vater, Mutter, Kinder auch noch andere Modelle möglich seien. Das löste Kritik aus und wurde von vielen als zu revolutionär und zu fortschrittlich erachtet. Aber solche Reaktionen muss man aushalten, wenn man etwas bewegen will.
Seit gut zwanzig Jahren arbeitest du nun bei der Dienststelle Volksschulbildung. Du hast also vom Schulzimmer in die Bildungsverwaltung gewechselt, hat sich das gelohnt?
Unbedingt! Die DVS (kurz für Dienststelle Volksschulbildung) bot mir ein sehr spannendes Umfeld. Ich denke hier an Projekte wie Ganzheitlich Beurteilen und Fördern (GBF), Blockzeiten, Tagesstrukturen oder Altersgemischtes Lernen (AgL). Da haben wir viel geleistet, haben quasi den Boden bestellt und können jetzt stolz sein auf den heutigen Stand. Mein langjähriger Vorgesetzter in der DVS, Charles Vincent, setzte jeweils die Themen und liess mir dann viel Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung zusammen mit meinen Kolleginnen und Kollegen und den Schulleitungen. Das entsprach mir sehr, ich fühlte mich nie als Verwaltungsangestellte mit einem «0815-Job». Und ganz weg von der Praxis war ich ja sowieso nie, weil ich nebenher als Dozentin an der PH Luzern unterrichtete.
Synergien für die Bildungsforschung
Das klingt nach einer interessanten Kombination.
In der Tat, eine spannende Aufgabe, aus der sich Synergien für beide Seiten - für die PH und die DVS - ergaben. Sowieso schätze ich die Zusammenarbeit mit der PH Luzern sehr: Die DVS gibt zum Beispiel einen Weg vor und die PH begleitet diesen forschend. Ein idealtypisches Beispiel dafür ist die Entwicklung der Deutschschweizer Basisschrift. Das Lehrmittel, das wir in enger Zusammenarbeit mit der PH entwickelt haben, wird heute in der gesamten Deutschschweiz und punktuell sogar in Deutschland und Österreich genutzt. Ein weiteres Beispiel ist das Lehrmittel «Lesebox», bei dem ich in Kooperation mit der PH ebenfalls als Autorin mitgewirkt habe. Dafür wurden wir 2018 gar mit dem Worlddidac Award ausgezeichnet.
Nun gehst du Ende Juli 2021 in Pension. Mit Blick zurück auf all die vielen Jahre, was bleibt dir in besonderer Erinnerung?
Die Zusammenarbeit mit Menschen ist einfach unglaublich spannend und für Entwicklungsarbeiten unerlässlich. Man wird viel kreativer mit anderen zusammen: Eine Person generiert vielleicht zehn Ideen, drei Personen aber dreissig. Ebenso wichtig sind Vertrauen und Offenheit im Umgang miteinander. Ich bin dankbar für all die Wertschätzung, die ich erfahren durfte, innerhalb der DVS, aber besonders auch in der Zusammenarbeit mit den Schulleitungen. Ich erachte die Volksschule als beste Errungenschaft unserer Gesellschaft, weil dort alle Kinder und Jugendlichen eine gute Grundbildung erhalten und lernen, miteinander umzugehen - die Volksschule ist damit ein Grundstein für die Demokratie.
Würdest du etwas anders machen, wenn du die Zeit zurückdrehen könntest?
Nein, das Leben ist kein Konjunktiv!
Projektleiterin Sommerkurse SWCH
Wo trifft man dich in Zukunft?
Ich werde weiterhin als Lehrmittelautorin - zusammen mit Kolleginnen und Kollegen von der PH - aktiv sein. Das sind immer sehr kreative Prozesse, bei denen auch viel gelacht wird. Nächsten Sommer finden im Juli die Weiterbildungsangebote von SWCH für die Lehrpersonen der ganzen Schweiz in Luzern statt. Dort habe ich bereits als Projektleiterin zugesagt. Und jetzt, da sich die pandemische Lage etwas entspannt hat, werde ich wieder vermehrt Freundinnen und Freunde treffen. Ach, das Leben ist so spannend, ich könnte drei davon brauchen! Langweilig wird mir bestimmt nicht!
Neuer Beauftragter Primarschule
Die Abteilung Schulbetrieb I bearbeitet die pädagogischen, didaktischen und schulorganisatorischen Fragen der Volksschule und unterstützt Behörden und Schulleitungen, Abteilungsleiter ist Christian Wyss. Nachfolger von Josy Jurt als Beauftragte Primarschule wird ab 1. August 2021 der langjährige Schulleiter der Schule Rothenburg Thomas Güttinger, die Funktion als Bereichsleiterin Unterricht übernimmt Angela Brun, Beauftragte Sekundarschule in der DVS.