Interview: Vera Bergen
In unregelmässigen Abständen gibt der BKD-Blog Einblick in die vielfältigen Tätigkeiten und Angebote des Luzerner Bildungs- und Kulturdepartements. Da aktuell laut mehrerer Studien viele Menschen unter starker psychischer Belastung leiden, stellen wir die Fachstelle Psychologische Beratung Berufsbildung & Gymnasien (FPB) genauer vor. Leiterin Patricia Bachmann zeigt auf, wie die Fachstelle arbeitet und helfen kann.
Patricia Bachmann, an wen richtet sich das Angebot der Fachstelle Psychologische Beratung Berufsbildung und Gymnasien?
Die kostenlosen und vertraulichen Dienstleistungen der Fachstelle Psychologische Beratung Berufsbildung & Gymnasien richten sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die eine Berufslehre absolvieren, eine Berufsfachschule oder Mittelschule besuchen und deren Wohn-, Schul- oder Arbeitsort im Kanton Luzern ist, sowie an Schülerinnen und Schüler der Gymnasien des Kantons Luzern. In der Regel sind diese zwischen 13 und 25 Jahre alt. Deren Angehörige, Lehrpersonen oder Berufsbildende können sich ebenfalls bei uns melden, wenn es schwierige Situationen mit einem Lernenden bzw. einer Lernenden gibt. Wir bevorzugen eine Anmeldung auf unserer Website. In Notfällen empfehlen wir jedoch eine telefonische Kontaktaufnahme.
Bei welchen Problemen kann die FPB Lernenden helfen?
Die Mitarbeitenden der FPB sind Psychologinnen und Psychologen mit mehrjähriger Erfahrung in der Begleitung und Beratung von Jugendlichen und Erwachsenen sowie ihrem Umfeld. Sie unterstützen bei einer breiten Palette von Fragestellungen und Themen wie unter anderem Prüfungsangst, Selbstwert, Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten, Konflikte und bei allgemeinen psychosozialen Belastungssituationen.
Bei welchen Problemen kann die FPB Lehrpersonen und Schulleitenden helfen?
Wir können Lehrpersonen und Schulleitungen bei Themen rund um psychische und psychosoziale Belastungen von Jugendlichen, beim Vorgehen in heiklen Situationen und in akuten Krisensituationen in der Schule (bspw. Todesfall, Suizid, Gewalt) beraten.
Diverse Studien kommen aktuell zum Schluss, dass viele Menschen in der Schweiz psychisch stark belastet sind. Dies führt zu einer gesteigerten Nachfrage nach psychologischer Unterstützung. Inwiefern zeigt sich dies auch bei Ihnen an der FPB?
Wir erleben dieselbe Entwicklung. Die Anzahl Beratungssitzungen hat in den letzten Monaten um knapp 15 Prozent zugenommen.
Mit welchen Themen kommen Schülerinnen und Schüler, Lehrpersonen oder Schulleitungen auf Sie zu?
Häufige Themen sind der Leistungsdruck in der Schule oder im Betrieb,
je nach dem auch ein Leistungsabfall, Konzentrations- oder Motivationsschwierigkeiten, Niedergeschlagenheit und Erschöpfung, Panikattacken und Ängste vor Prüfungen oder dem
Qualifikationsverfahren. Manchmal geht es aber auch um Belastungen in der Familie, den Peergroups (Bezugsgruppe Gleichaltriger, Anm. d. Red.) oder dem Freundeskreis. Bei Anfragen von Lehrpersonen
und Ausbildungsverantwortlichen handelt es sich oft um beobachtete psychische Belastungen von Lernenden sowie um Unsicherheiten im entsprechenden Vorgehen.
Jede Belastung und deren Umgang damit sind individuell. Gibt es trotzdem Abläufe, die bei jedem Fall gleich sind?
Normalerweise gehen wir wie folgt vor: Nach Eingang der
Anmeldung und einer Beurteilung der Dringlichkeit, verschaffen wir uns telefonisch einen Überblick über das Anliegen. Danach wird ein Termin bei uns an der FPB vereinbart. In einem zweiten
Schritt wird das Problem eingehend analysiert und nach möglichen Lösungswegen gesucht. Je nach Situation kann das Umfeld (Eltern, Betrieb, Schule) oder auch die Fachstelle Berufsintegration der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung ins weitere Vorgehen einbezogen werden. Bei Anfragen von Lehrpersonen, Schulleitungen oder Berufsbildner und Berufsbildnerinnen
kann nach eingehender Abklärung auch eine Vorgehensberatung und/oder eine Intervention vor Ort mit einer Gruppe von Lernenden sinnvoll sein, wie zum Beispiel bei Mobbing in einer Klasse oder bei
einem Todesfall in der Schule oder dem Betrieb.
Anhand von einigen Fallbeispielen soll die Arbeit der Fachstelle noch etwas genauer vorgestellt werden.
Fallbeispiel 1: Einer Fachlehrperson fällt auf, dass sich die Schülerin M. verändert hat. M. wirkt unkonzentriert und bringt sich nicht mehr in den Unterricht ein. Zudem ist die Note der letzten Prüfung deutlich schlechter als ihre üblichen Noten. Von der Klassenlehrperson oder einer anderen Fachlehrperson sind keine Informationen gekommen, dass diese ähnliche Beobachtungen gemacht hätten. Wie kann die FPB nun der Lehrperson helfen?
Es würde sich in diesem Fall vermutlich um eine telefonische Vorgehensberatung handeln. Das heisst, wir klären mit der Fachlehrperson, was sie genau beobachtet hat und welche Gedanken sie sich dazu macht. Ein Austausch mit anderen Lehrpersonen oder der Klassenlehrperson ist wichtig, um die Beobachtungen zu bestätigen und die Rollen zu klären: Wer geht gegebenenfalls auf die Schülerin zu? In einem solchen Gespräch gibt es einiges zu beachten: Trotz den Hypothesen, die eventuell bereits bestehen, sollten diese der Schülerin nicht suggeriert, sondern als Ich-Botschaften überbracht werden. Beispiel: Statt «Du bist in letzter Zeit unkonzentriert», würde man sagen: «Ich habe den Eindruck, dass du in letzter Zeit unkonzentrierter bist». Je nach dem kann die Lehrperson nach Unterstützungsmöglichkeiten im Umfeld fragen (Familie, Freunde, Hobbies), auf das Angebot unserer Fachstelle hinweisen. Empfehlenswert ist es, die Anmeldung gemeinsam vorzunehmen. Zur Reflexion des Vorgehens oder bei Fragen zu weiteren Schritten kann sich die Lehrperson oder die Schulleitung selbstverständlich wieder an unsere Fachstelle wenden.
Fallbeispiel 2: Eine Deutsch-Lehrperson kommt verunsichert und aufgelöst zur Schulleitungsperson. Die Deutsch-Lehrperson berichtet, dass Schüler L. im letzten Aufsatz von einem jungen Erwachsenen geschrieben habe, der es nicht länger ertrage, immer eine Maske aufzusetzen, den Fröhlichen zu spielen, während es im Inneren ganz anders aussehe. Der Protagonist im Aufsatz macht sich Gedanken über verschiedene Möglichkeiten, sich das Leben zu nehmen. Was raten Sie hier?
Wie beim ersten Fall, sollte die Deutsch-Lehrperson sich ihrer Rolle und auch Verantwortung bewusst sein. Durch den Beizug der Schulleitung kann die Verantwortung geteilt werden. Bei unklarem Rollenverständnis kann unsere Fachstelle zur Vorgehensberatung beigezogen werden - auch telefonisch oder per dringlicher Mailanfrage. Bestenfalls wird mit dem Schüler sofort Kontakt aufgenommen und die Besorgnis zum Ausdruck gebracht. Es gelten dieselben Kommunikationsregeln wie im Fall 1: Die eigene Wahrnehmung mit Ich-Botschaften teilen. Mit Ratschlägen (auch gut gemeinten!) sollte man immer zurückhaltend sein. Denn was für einen selbst hilfreich scheint, ist es nicht unbedingt für Andere. Zudem kann nach Suizidabsichten konkret gefragt werden, dies wirkt entlastend (zu fragen löst keine Suizidalität aus!). In diesem Fall kann mit dem Schüler gemeinsam die Anmeldung bei uns gemacht werden, wir empfehlen zudem in Rücksprache mit dem Schüler den Einbezug der Eltern. Sollte sich im Gespräch die Besorgnis verstärken, kann unsere Fachstelle ebenfalls telefonisch kontaktiert werden und wir leisten Unterstützung zum unmittelbaren Vorgehen. Anders wäre es bei einer akuten Gefährdung, in diesem Fall darf der Betroffene nicht allein gelassen und der Kontakt zu ihm muss aufrecht erhalten werden. Es gilt dann, die Luzerner Psychiatrie oder den Notarzt anzurufen und entsprechende Anweisungen zu befolgen.
Fallbeispiel 3: Nach einem Elterngespräch mit der Klassenlehrperson wegen Promotionsgefährdung wird Schülerin S. bei der internen Schülerinnenberatung angemeldet. S. soll mithilfe der Beratung geeignete Lernstrategien finden und ihr Zeitmanagement verbessern, um ihre Noten zu steigern. Nach zwei Gesprächen stellt sich heraus, dass S. aufgrund der familiären Situation stark belastet ist. Zudem hat sich ihr Freund von ihr getrennt. Sie hat sich sozial zurückgezogen. Auch geht sie nicht mehr ins Fitnesscenter. Sie hat Mühe sich beim Lernen zu konzentrieren und die Motivation verloren. Durch den erhöhten Leistungsdruck hatte sie auch schon Blackouts an Prüfungen. Wie helfen Sie der Schülerin S.?
Wenn die interne Schülerinnenberatung feststellt, dass der Bedarf der Betroffenen über eine reine Lernberatung hinausgeht, ist es wichtig, dies anzusprechen und nachzufragen. Auch hier ist die Rollenklärung zentral, was kann/soll die interne Beratung leisten und was nicht und gegebenenfalls erfolgt eine Anmeldung bei unserer Fachstelle. Allenfalls kann die Schülerin zum ersten Termin begleitet werden. In solchen Situationen könnte ein erster Beratungstermin modellhaft wie folgt aussehen: Wir erheben die Belastungsfaktoren möglichst umfassend und stellen mögliche Zusammenhänge her. Dies gibt der Betroffenen Raum und wirkt oft erstmal entlastend. Die Zusammenhänge können dazu beitragen ein Erklärungsmodell für die aktuelle Situation zu entwickeln, so dass der Betroffene seine Situation besser verstehen kann. Wir klären dann, was im Vordergrund steht aber auch worauf am ehesten Einfluss genommen werden kann oder auch werden muss. Je nach dem geht es dann um die Vermittlung von Bewältigungsstrategien im Umgang mit der Trennung, der Familiensituation oder dem Leistungsdruck, wobei bei Bedarf die Familie mit einbezogen werden kann. Je nach dem erarbeiten wir Motivationshilfen und fokussieren auf Übungen und Techniken zur Konzentrationsfähigkeit. In der Regel ist es kein Entweder-oder sondern ein Sowohl-als-auch.
Geht es dir oder jemandem, den du kennst, nicht gut?
- Jugend- und Familienberatungsstelle des Wohnorts. Hilfe für Jugendliche, Eltern und Familien bei der Alltagsbewältigung, in Krisen und Notlagen.
- Pro Mente Sana, Tel. 0848 800 858. Auch wenn die Seele schmerzt, muss nicht eine psychische Krankheit dahinterstehen. Pro Menta Sana hilft dabei, das Richtige zu unternehmen.
- Kinderseele Schweiz, Beratung für psychisch belastete Eltern und ihre Kinder sowie Partner und Partnerinnen.
- Pro Juventute, kostenlose & anonyme Beratung für Kinder und Jugendliche, Tel. 147. Beratung erfolgt rund um die Uhr per SMS, Chat und Telefon.
- Dargebotene Hand, Sorgen-Hotline, Tel. 143. Ist da für Menschen, die ein helfendes & unterstützendes Gespräch benötigen.
- Angst- und Panikhilfe Schweiz, Tel. 0848 801 109, Telefon-Hotline rund um das Thema Angststörung. In Notfällen sollte man sich an die Dargebotene Hand wenden.
- Übersicht über weitere Hilfsangebote im Kanton Luzern.
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