Interview: Blogredaktion
Vorschaubild: Philipp Schmidli
Jürg Manser blickt auf 35 Jahre beim Kanton Luzern zurück: 22 Jahre als Kantonsarchäologe und 13 Jahre als Leiter der Abteilung Denkmalpflege und Archäologie. Ende Oktober 2023 geht er in Pension. Zuvor spricht er über die Entwicklung der Archäologie unter seiner Leitung, über seine anhaltende Begeisterung für Kulturgeschichte und über sein fast letztes Projekt: Das Kulturabenteuer Museggmauer.
Jürg Manser, nächstes Jahr feiert die Kantonsarchäologie ihr 70-jähriges Bestehen. Obwohl Sie dann nicht mehr als Kantonsarchäologe tätig sein werden, können Sie sicherlich bereits jetzt sagen, ob dieses Jubiläum Grund zum Feiern ist.
Auf jeden Fall! Zwar wurde schon lange vor der Gründung einer kantonalen Fachstelle im Kanton archäologisch geforscht, aber 1954 wählte man den ersten Kantonsarchäologen, weil man merkte, dass sich mit der enormen Entwicklung der Nachkriegsjahre eine professionelle Betreuung der im Boden verborgenen Zeugen unserer Vergangenheit aufdrängte. Heute muss sich Luzern nicht verstecken, verfügt der Kanton doch über eine zwar kleine, aber leistungsfähige Fachstelle, die fachlich auf der Höhe der Zeit ist. Das darf man durchaus anerkennen und ein wenig feiern. Das ist übrigens kein Eigenlob, sondern ein Lob an mein Team. Archäologie ist ausgesprochenes Teamwork, alleine erreicht man da nichts! Und ich konnte mich all die Jahre auf ein tolles Team stützen, das seine Arbeit nicht bloss als Job, sondern als Berufung sieht. Mit geteilter Begeisterung kann man viel erreichen!
«Archäologie ist ausgesprochenes Teamwork, alleine erreicht man nichts! Ich konnte mich immer auf ein tolles Team stützen.»
Was ist denn zum Jubiläum konkret geplant?
Nun, da ist uns der Zufall etwas zu Hilfe gekommen. Seit Jahren arbeiten wir bei der Öffentlichkeitsarbeit gerne und erfolgreich mit der Pädagogischen Hochschule, konkret mit dem Zentrum für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen unter Prof. Dr. Peter Gautschi, zusammen. Der Zufall wollte es also, dass die PHLU ihr 20-jähriges und wir unser 70-jähriges Jubiläum fast gleichzeitig feiern. Somit lag es nahe, gemeinsam etwas auf die Beine zu stellen, und zwar das Kulturabenteuer Museggmauer - ein Abenteuer für Kinder, Jugendliche und Begeisterungsfähige jeden Alters an der Museggmauer in Luzern.
Wie muss man sich das Kulturabenteuer Museggmauer vorstellen?
Letztlich geht es bei den Kulturabenteuern natürlich darum, das Interesse unserer Jugend an unserer Kulturgeschichte zu wecken. Kulturgeschichte ist das Lebenselixier einer Gesellschaft, die gemeinsame Vergangenheit verbindet und gibt uns Halt im Heute, inspiriert uns für morgen. An der Museggmauer liegen eine Art Schatzkarten auf mit je einer zeitgenössischen Person als Leitfigur. Da gibt es die Denkmalpflegerin, einen Jungen im Rollstuhl, den Turmwart und andere mehr. Mit diesen Figuren begibt man sich auf Entdeckungstour an und auf der Mauer und löst zahlreiche Rätsel, die einen der Lösung näher bringen. Am Schluss winkt eine Belohnung. Letztlich sollen die Jugendlichen mit viel Spass etwas erleben und dabei etwas fürs Leben lernen, ohne es zu merken. Dahinter verbirgt sich natürlich die Hoffnung, dass auch künftige Generationen die Kulturgeschichte würdigen und Sorge zu deren Zeugen tragen.
«Kulturgeschichte ist das Lebenselixier einer Gesellschaft, die gemeinsame Vergangenheit verbindet und gibt uns Halt im Heute, inspiriert für morgen».
Gibt es Unterschiede zu den bereits bestehenden Kulturabenteuern im Seetal?
Eine ganze Menge: Wie erwähnt handeln die Geschichten dieses Mal in der Gegenwart, und man trifft auf dem Rundgang nicht nur auf Mauer und Türme, sondern auch auf Hörspiele, auf Feldstecher, die einen Blick auf das Luzern des 15. Jh. ermöglichen, auf Puzzles und vieles mehr. Ein Highlight ist sicher auch die Filmstele. Den Film über den Luegislandturm muss man ganz genau schauen, um der Lösung des Rätsels auf die Spur zu kommen.
Kulturabenteuer Musegg in Aktion. (Bilder: Philipp Schmidli)
Wie komme ich denn zu einer Schatzkarte?
Die fünf verschiedenen Faltkarten liegen vor Ort auf. Schulklassen können sich Klassensätze über die Website www.kulturabenteuer.ch zukommen lassen. Und das Wichtigste: Drei der fünf Rundgänge können ganzjährig gespielt werden, also auch im Winter, wenn die Mauer geschlossen ist. Besonders erfreut mich die Geschichte von David, einem Jungen im Rollstuhl. Auch Menschen mit einer Mobilitätseinschränkung können also mitmachen, sofern sie ein Handy zur Verfügung haben, aber das trifft heute wohl auf alle zu…..
«Wir sind im Auftrag der Luzerner Bevölkerung unterwegs. Es ist uns eine Verpflichtung, ihr die Ergebnisse unserer Arbeit zugänglich zu machen».
Auf der Website der Kantonsarchäologie gibt es eine Vielzahl von Vermittlungsangeboten. Wie kommt das?
Das ist ganz einfach. Nicht nur der Schutz und die Dokumentation archäologischer Quellen zählt zu unseren Aufgaben, sondern auch die Vermittlung. Wir sind ja im Auftrag der Luzerner Bevölkerung unterwegs, und da ist es uns eine Verpflichtung, ihr die Ergebnisse unserer Arbeit zugänglich zu machen, wieder mit dem immer gleichen Ziel, den Stellenwert der Kulturgeschichte tief in unserer Gesellschaft zu verankern. Aber ich gestehe, dass mir die Vermittlung persönlich auch grosse Freude macht, vor allem, wenn der Funken der Begeisterung auf das Publikum überspringt. Alle unsere Vermittlungsangebote sind übrigens Co-Produktionen mit Gemeinden, Firmen und Privaten und waren nur möglich dank grosszügigen Sponsoren. Und abgesehen von jenem auf der Burg Nünegg in Lieli ist keines im Eigentum des Kantons. Übrigens: Der Besuch aller Angebote ist gratis, also auch perfekt für Familien, die ein günstiges Ferienprogramm suchen!
Zum Schluss noch einmal zurück zu Ihnen. Nennen Sie uns vier Begriffe, die Ihre Laufbahn geprägt haben, und sagen Sie je zwei Sätze dazu:
Fundstelleninventar: Alle bekannten Fundstellen sind seit 2009 erfasst, überprüft und digitalisiert worden und für alle im Internet einsehbar, und dank dieses Instruments können wir, beispielsweise bei Bauvorhaben, frühzeitig aktiv werden, was für alle Beteiligten nur Vorteile bringt.
Digitalisierung: Die Digitalisierung schreitet auch in der Archäologie mit grossen Schritten voran, von der Vermessung bis zur Dokumentation und Datensicherung bedeutet dies einen grossen Qualitätssprung.
Vernetzung: Heute verfügen wir über ganz andere Möglichkeiten, die Quellen zum Sprechen zu bringen, als noch vor 20 Jahren: Denken wir etwa an die Datierungsmethoden, an Genforschung oder an archäobiologische und bodenkundliche Analysen, die wir in Zusammenarbeit mit den Universitäten durchführen. Das Wissen vervielfacht sich und diese Entwicklung wird sich noch intensivieren. Weltkulturerbe: Das einzige Weltkulturerbe im Kanton Luzern ist ein archäologisches! Es ist eine Verpflichtung, sich für die Erhaltung der drei Pfahlbaufundstellen Wauwilermoos-Egolzwil 3, auf der Halbinsel Zellmoos-Sursee und in Hitzkirch-Seematte einzusetzen.
Noch ein (letztes) Wort zu den Herausforderungen der Zukunft?
Unsere Hauptaufgabe ist die Erhaltung der Fundstellen an Ort und Stelle. Dabei ist der Klimawandel auch für die Archäologie ein grosses Thema: Fundstellen im feuchten Milieu, also etwa Pfahlbaufundstellen mit ihren organischen Resten, trocknen zunehmend aus und sind in ihrer Existenz gefährdet. Aber auch das verdichtete Bauen und das Bauen im See sind grosse Themen. Der Archäologie geht die Arbeit so schnell nicht aus!
Jürg Manser übergibt Ende Oktober 2023 die Leitung der Archäologie an seinen Nachfolger Christian Auf der Maur (43).
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