Interview: Vera Bergen
Bilder: Physik-Olympiade
Der Adligenswiler David Reichmuth darf sich seit Ende April 2024 zweifacher Physik-Olympionike nennen. Der Schüler der Kantonsschule Alpenquai hat an der Nordisch-Baltischen Physik-Olympiade NBPhO in Estland die Bronze-Medaille gewonnen. Zuvor wurde der 16-Jährige bereits beim nationalen Finale der Schweizer Physik-Olympiade mit der Silber-Medaille geehrt. David Reichmuth erklärt, was Lösungswege mit Eleganz, stundenlange Prüfungen mit Schokolade und Olympische Spiele mit Kanti-Lehrpersonen zu tun haben.
Für eilige Leser und Leserinnen:
- Die Schweiz nahm vom 26. bis 28. April 2024 als Gastland an der Nordisch-Baltischen Physik-Olympiade NBPhO teil.
- Die Schweiz verzichtete auf eine Teilnahme an der Internationalen Physik-Olympiade im Iran. Darum bot die Teilnahme an der NBPhO für vier Champions der Schweizer Physik-Olympiade eine alternative Chance, sich mit Gleichaltrigen aus aller Welt auszutauschen und zu messen.
- Der 16-jährige Adligenswiler David Reichmuth gewann dabei eine Bronze-Medaille. Beim nationalen Finale der Schweizer Physik-Olympiade gewann der Schüler der Kantonsschule Alpenquai bereits eine Silbermedaille.
David Reichmuth, herzliche Gratulation zur Bronze-Medaille an der NPPhO. Wie fühlt sich solch ein Medaillengewinn an?
Ich freue mich extrem über diese Auszeichnung. Ich war selbst erstaunt, eine Medaille zu gewinnen, da die Aufgaben in vergangenen Jahren etwas leichter waren und daher mehr Punkte für einen Medaillenrang nötig gewesen sind – dank der Überraschung ist die Freude umso grösser. Die Bronze-Medaille ist zudem ein schönes Erinnerungsstück an die Nordisch-Baltische-Physik-Olympiade NBPhO.
Da die Schweiz auf eine Teilnahme an der Internationalen Physik-Olympiade in Iran verzichtete, waren Sie und weitere Schweizer Schüler und Schülerinnen an der Olympiade in Estland. Was ist Ihnen von dieser Zeit besonders in Erinnerung geblieben?
Die Prüfungen sind nur ein Aspekt dessen, was die Wissenschaftsolympiaden so toll macht. Ein weiterer Aspekt ist der Austausch mit Gleichgesinnten und das Kennenlernen fremder Städte. In meinem Fall der estnischen Hauptstadt Tallinn - einer für mich unbekannten Stadt. Wir hatten es immer lustig, sowohl in der Schweizer Delegation aber auch mit den Teilnehmenden anderer Länder. Diese Momente sind unvergesslich.
Sie sind Schüler an der Kantonsschule Alpenquai. Welchen Einfluss hatten der Physik-Unterricht sowie Ihre Physik-Lehrperson auf Ihre Teilnahme an der Olympiade und Ihr gutes Abschneiden?
Die Physikolympiade in der Schweiz ist in mehrere Runden aufgeteilt. Die erste Runde ist ein vergleichsweise kurzer Test von 50 Minuten, in denen rund 20 Fragen beantwortet werden müssen. Dort ist vor allem die knappe Zeit die Schwierigkeit, die Fragen an sich können mit dem Schulwissen gelöst werden. Da hat der Unterricht einen grossen Einfluss. Die besten Teilnehmenden der ersten Runde werden dann in ein Vorbereitungslager eingeladen. Dort wird viel Theorie erklärt, welche weiter als der Schulstoff geht. Das heisst ab der zweiten Runde hilft der Schulstoff nicht mehr allzu viel. In der Finalrunde kommen dann noch die praktischen Prüfungsteile dazu, das sind zum Teil wieder eher Sachen, die man aus den Praktika in der Schule kennt. Meine Schwerpunktfach-Physik-Lehrperson hat häufig Aufgaben gestellt, die weiter gehen als Formelumformen und einsetzen – bei ihr muss man oft auch weitere Dinge in Betracht ziehen. Bei der Olympiade ist es ähnlich. Das war sicher auch hilfreich, solche Überlegungen schon vor der Olympiade zu kennen.
Einblick in die Aufgaben der Nordisch-Baltischen Physik-Olympiade 2024
Es gibt doch diesen berühmten Moment, wenn man die Prüfungsblätter erhält und sieht, was einen nun erwartet. Was ist Ihnen in diesem Moment durch den Kopf gegangen?
Das Prüfungsblatt des ersten Prüfungstages ist abgesehen von einer kleinen Skizze nur Text, man sieht also nicht auf den ersten Blick, zu welchen Themen die Aufgaben sind. Am zweiten Prüfungstag gab es auch zwei Bilder auf der Prüfung, die stechen natürlich sofort ins Auge. So wusste ich, dass sich eine Aufgabe sicher um Wellen drehen wird. Ich habe an beiden Tagen zuerst das Experiment gemacht, da es für die rund 35 Teilnehmer in meinem Prüfungssaal nur zwölf Experimentiersets gab. Dadurch können nicht alle gleichzeitig das Experiment machen, gleich zu Beginn waren aber noch Sets verfügbar. Bei Olympiade-Prüfungen schaue ich generell immer nur eine Frage aufs Mal an, damit ich mich nur auf diese eine Aufgabe konzentrieren kann.
Die Fragen an der NBPhO waren laut Medienmitteilung anders formuliert als Sie es sich gewohnt sind. Demnach erforderten sie unter anderem mehr Kreativität. Wie sind Sie bei den beiden fünfstündigen Prüfungen vorgegangen?
Die NBPhO war der erste internationale Wettbewerb, an dem ich teilgenommen habe, darum kann ich das schlecht mit der Europäischen Physik-Olympiade EuPhO oder Internationale Physik-Olympiade IPhO vergleichen. Die Prüfungsaufgaben vergangener Jahre waren online zugänglich, darum konnte ich mich schon mit denen vorbereiten und kannte den Aufgabenstil. Es kommt dann sehr darauf an, aus welchem Teilgebiet der Physik die Aufgabe stammt. In der Mechanik zum Beispiel beginne ich gerne mit einer Skizze, in der vor allem alle wirkenden Kräfte und relevanten Grössen eingezeichnet werden. Danach überlege ich mir, ob Energie, Impuls und/oder Drehimpuls erhalten sind – denn diese beiden Erhaltungssätze vereinfachen die Berechnungen stark. Danach muss man genügend Zusammenhänge finden und als Gleichung schreiben können, das ist der schwierigste Teil. Manchmal kann man sich die Arbeit hier stark vereinfachen, indem man eine äquivalente Situation betrachtet – das ist oft der gewollte Lösungsweg, da es dann viel eleganter wird. Sobald man alle diese hat, kann man die Gleichungen umstellen und hat dann die Lösung.
Die Prüfungen waren breit gefächert, von geometrischen Berechnungen bis hin zu praktischen Experimenten. Welche Art von Herausforderungen haben Sie besonders gereizt?
Dieses Jahr waren die Aufgaben 1 (Die Bewegung vier geladener Partikel, siehe oben) und 6 (Spiegelungen und Kreisbewegungen in Kegeln, siehe links) sehr interessant. Die beiden Experimente waren auch sehr schön. Das Schöne an all diesen Aufgaben war, dass man keine speziellen Formeln benötigte, sondern durch eigene Überlegungen zum Ziel kommen konnte.
An der Physik-Olympiade mussten Sie zwei Mal ein eine fünfstündige Prüfung «durchmachen». Wie schaffen Sie es, so lange konzentriert zu bleiben?
Fünf Stunden tönt nach mehr, als es ist. Wenn man das erste Mal auf die Uhr schaut, ist die Hälfte der Zeit schon um. Die Zeit reicht knapp, Reserve hat man kaum. Trotzdem kann kaum jemand diese Prüfung ganz ohne kurze Pause durchhalten – die Tafel Schokolade, die jeder Teilnehmer vor der Prüfung erhalten hat, habe ich während dieser fünf Stunden fast komplett gegessen.
Was für Tipps geben Sie Jugendlichen, die an einer Physik-Olympiade teilnehmen möchten?
Ich glaube, die grösste Hürde ist, überhaupt mitzumachen. Viele wissen gar nicht, dass es die Physikolympiade gibt. Die Teilnahme ist gratis und man hat nichts zu verlieren. Eine gute Vorbereitung für die erste Runde sind die Multiple-Choice-Aufgaben der zweiten Runde. Die Fragen der ersten Runde ist zwar etwas einfacher als diese, leider werden die ersten Runde-Prüfungen aber nicht veröffentlicht.
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