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Nach insgesamt 44 Jahren: Rektor Hans Hirschi nimmt Abschied vom Alpenquai

Interview: Vera Bergen / Bilder: zVg

An der Kantonsschule Alpenquai Luzern geht mit dem Schuljahr auch eine Ära zu Ende. Nach insgesamt 44 Jahren an der grössten Kantonsschule der Zentralschweiz – schon als Schüler, als Lehrer und dann über neun Jahre als Rektor der Gesamtschule– geht Hans Hirschi (fast) in Pension. Ein Gespräch über Glück, Grösse und Gremien.


Für eilige Leserinnen und Leser:

  • Hans Hirschi ist seit 1988 Lehrer für Religionskunde, Ethiklehre und Philosophie an der Kantonsschule Alpenquai Luzern.
  • Von 1996 bis Ende Januar 2015 war er Rektor des Obergymnasiums. Seit 1. Februar 2015 leitet er die Gesamtschule als Rektor.
  • Nach 36 Jahren an der Kantonsschule Alpenquai Luzern geht er nun in Pension.  Wobei er nach seiner Pensionierung noch in einem kleinen Pensum als Projektleiter bei der Umsetzung der Gymnasialreform tätig sein wird. 
  • Zu den wichtigen Meilensteinen seiner Karriere zählen unter anderem die erste gesamtschulische Studienwoche 1992, das 50-jährige Jubiläum der Schule und die Digitalisierung, die es ermöglichte, während der Corona-Pandemie schnell auf Fernunterricht umzuschalten.

Hans Hirschi ist seit 1988 Lehrer für Religionskunde, Ethik und Philosophie am grössten Gymnasium der Zentralschweiz. Seit Februar 2015 Rektor der Kantonsschule Alpenquai. Seit  (Bild: zVg)
Hans Hirschi ist seit 1988 Lehrer für Religionskunde, Ethik und Philosophie am grössten Gymnasium der Zentralschweiz. Seit Februar 2015 Rektor der Kantonsschule Alpenquai. Seit (Bild: zVg)

Hans Hirschi, nach über 30 Jahren an der Kantonsschule Alpenquai werden Sie per Ende Schuljahr 2024 pensioniert. Wie fühlt es sich an, diese bedeutende Phase Ihrer Karriere abzuschliessen?

Mein Wunsch war es, einen Beruf ausüben zu können, der sinnerfüllt ist und zu meinen Fähigkeiten und Interessen passt. Ich hatte das grosse Glück, diesen Beruf gefunden zu haben.

 

Die Kantonsschule Alpenquai Luzern gehört zu den grössten Gymnasien der Schweiz. Inwiefern spielt die Grösse einer Schule eine Rolle bei der Führung?

Die Führungstätigkeit ist komplex. Man hat es mit vielen verschiedenen Personen zu tun. Besonders anspruchsvoll ist die Kommunikation. Im Unterschied zu kleinen Betrieben kann man sich nicht auf die informelle Kommunikation bei Begegnungen im Alltag verlassen. Jede Kommunikation muss sorgfältig geplant und organisiert werden. Dank oder wegen der Grösse gibt es auch eine grosse Zahl an Ereignissen und Prozessen, die so koordiniert werden müssen, dass ein fruchtbares Schulleben möglich ist.

 

Rückblickend auf Ihre Zeit als Rektor, was waren die grössten Herausforderungen, die Sie gemeistert haben?

Die grösste Herausforderung war wahrscheinlich ganz am Anfang meiner Laufbahn. 1996 galt es gleichzeitig eine tiefgreifende Reform des Gymnasiums umzusetzen, die Gymnasialzeit von 7 auf 6 Jahre zu verkürzen und die Organisationsstruktur der Schule komplett zu überarbeiten. Die Schule wurde dann 2015 nochmals reorganisiert. Das waren sehr anspruchsvolle Prozesse. 

«Für mich war es immer wieder eine Freude zu sehen, wie sich Schülerinnen und Schüler durch Bildung persönlich entwickelt haben».

Welche besonderen Momente oder Ereignisse bleiben Ihnen in Erinnerung, wenn Sie auf Ihre Zeit an der Kantonsschule Alpenquai Luzern zurückblicken?

Wenn ich zurückblicke, kommen mir sehr viele Ereignisse in den Sinn. Die herausragendsten haben eigentlich immer mit einer guten Zusammenarbeit mit anderen Menschen zu tun. Ich denke an die erste gesamtschulische Studienwoche 1992, die ich anlässlich des Jubiläums «25 Jahre Alpenquai» leiten und organisieren durfte. In bester Erinnerung ist mir auch das Jubiläum zum 50-jährigen Bestehen der Schule am Alpenquai. Ein wichtiger Prozess war die die Digitalisierung der Schule, die in mehreren Etappen erfolgt ist. Eine entscheidende Etappe konnte unmittelbar vor der Corona-Pandemie abgeschlossen werden, so dass die Schule in der Lage war, quasi übers Wochenende notfallmässig auf Fernunterricht umzuschalten. Dankbar denke ich aber auch zurück an die fruchtbare Zusammenarbeit mit den vielen Mitgliedern der Schulleitung, die ich kennenlernen durfte.

Immer wieder ein freudiges Ereignis - auch für Rektor Hans Hirschi: Der Apéro nach bestandenden Maturaprüfungen.
Immer wieder ein freudiges Ereignis - auch für Rektor Hans Hirschi: Der Apéro nach bestandenden Maturaprüfungen.

Mit Ihrem Antritt als Rektor wurde auch eine umfassende Reorganisation der Schulleitungsstruktur durchgeführt und die Struktur an die anderen Luzerner Gymnasien angeglichen. Wie bewerten Sie den Erfolg dieser Umstrukturierung heute? Bräuchte es Ihrer Ansicht nach bereits wieder Umstrukturierungen?

Jede Führungsstruktur hat ihre Vor- und Nachteile. Insgesamt halte ich die Restrukturierung im Jahr 2015 für erfolgreich. Sie hat es erlaubt, die Prorektorate enger in die Schulführung einzubeziehen. Dadurch wurde auch die Kommunikation innerhalb der Schule erleichtert. Es wird im Zusammenhang mit der Amtsübernahme von meinem Nachfolger Stefan Graber eine kleine Umstrukturierung bezüglich der Zuständigkeiten der Prorektorate geben. Grundsätzlich hat sich aber diese Führungsstruktur bewährt.

 

Als Lehrer für Religionslehre und Philosophie haben Sie viele Lernende geprägt. Wie hat diese Lehrtätigkeit Ihre Perspektive auf Ihre Rolle als Rektor beeinflusst?

Ich habe Fächer unterrichtet, die einen generalistischen Charakter haben. Das hat es mir ermöglicht, im Dialog mit anderen Fächern zu stehen. Insbesondere die Philosophie reflektiert den Wissenschaftsbetrieb. Sie setzt sich mit den wissenschaftlichen Methoden auseinander aber auch mit den ethischen Implikationen wissenschaftlicher Tätigkeit. Die Ausbildung in diesen Fächern hat mir sicher bei der konzeptionellen Arbeit geholfen. Ich war mir aber auch immer gewohnt, die Zusammenhänge der Fächer im Hinblick auf eine kohärente gymnasiale Bildung zu sehen.

Was das Fach Religionskunde und Ethik betrifft, habe ich mich in den 90er-Jahren erfolgreich dafür eingesetzt, dass das ehemals konfessionelle Fach sich in ein bekenntnisneutrales Fach weiterentwickeln konnte, das sich mit dem Phänomen der Religionen auseinandersetzt. Dieses Konzept hat sich in der Folge schweizweit durchgesetzt. Für mich war es aber auch immer wieder eine Freude zu sehen, wie sich Schülerinnen und Schüler durch Bildung persönlich entwickelt haben. 

«Eine grosse Herausforderung wird sein, im vorgegebenen Zeitbudget die steigenden Anforderungen an die gymnasiale Bildung zu bewältigen».

Sie waren Mitglied der Schweizerischen Rektorenkonferenz und der Schweizerischen Maturitätskommission. Welche Impulse aus diesen Gremien konnten Sie an die Kantonsschule Alpenquai weitergeben?

Die Mitarbeit in der Schweizerischen Rektorenkonferenz und in der Schweizerischen Maturitätskommission habe ich immer für wichtig gehalten. Den Austausch innerhalb der Schweizerischen Rektorenkonferenz empfand ich als äusserst fruchtbar. Die Jahresversammlung habe ich nur ein einziges Mal nicht besucht, nämlich 2002. Damals hatten wir wegen der Verkürzung der Gymnasialzeit eine Doppelmatura. Impulse gab es auf beide Seiten. Durch die intensiven Kontakte war ich immer gut informiert über Vorgänge auf schweizerischer Ebene. Ich konnte in den Gremien aber auch die Sichtweise unserer Schule und des Kantons Luzern einbringen. In beiden Gremien durfte ich in diversen Arbeitsgruppen mitarbeiten. In der Schweizerischen Maturitätskommission war ich zudem acht Jahre lang Mitglied des Büros. Das ist gewissermassen das Exekutivorgan. Da erhielt ich einen tiefen Einblick in die Schweizerischen Maturitätsprüfungen.

Rektor Hans Hirschi im Einsatz für den Kanticup von Jugend debattiert.
Rektor Hans Hirschi im Einsatz für den Kanticup von Jugend debattiert.

Welche Entwicklungen im Bildungswesen haben Sie in Ihrer Laufbahn besonders beeindruckt oder beeinflusst?

Auf gymnasialer Ebene war ein wichtiger Prozess die Entwicklung vom klassischen Gymnasium mit den alten Sprachen hin zu einem stärker diversifizierten Gymnasium, wo die Natur-, und Sozialwissenschaften aber auch die musischen Fächer eine grössere Bedeutung bekamen. Didaktisch ist sicher der Methodenpluralismus, der den Unterricht immer stärker prägt, eine bedeutsame Entwicklung. Die Lehrpersonen sind heute didaktisch besser ausgebildet als früher. Zentral ist auch die Bedeutung der Digitalisierung im Unterricht.

 

Wo sehen Sie die künftig die grössten Herausforderungen für die Gymnasialbildung?

Eine grosse Herausforderung wird sein, im vorgegebenen Zeitbudget die steigenden Anforderungen an die gymnasiale Bildung zu bewältigen. Mit der neuen Gymnasialreform kommen mit Wirtschaft und Recht und Informatik zwei neue Grundlagenfächer dazu.

 

Eine zweite Herausforderung ist eine zeitgemässe Unterrichtsorganisation. Es wäre wünschenswert, wenn den Schülerinnen und Schülern mehr Möglichkeiten zum selbstorganisierten Lernen gegeben werden könnten. Dieses ist wichtig, um die Selbständigkeit der Lernenden im Hinblick auf das Universitätsstudium zu fördern. Diese Lernform stellt eher höhere Anforderungen an die Lehrpersonen als der klassische Unterricht, da sie geeignete Arbeitsaufträge konzipieren, mit Diversität umgehen, den Lernerfolg sorgfältig überprüfen und den Schülerinnen und Schülern präzise Rückmeldungen geben müssen. Schliesslich wird noch für längere Zeit der Einbezug digitaler Mittel im Unterricht eine Herausforderung sein. Einerseits ergeben sich dadurch neue Möglichkeiten, das Lernen zu gestalten, andererseits bringen Computer auch neue Probleme. Sie können z.B. zur Umgehung wichtiger Prozesse missbraucht werden, wenn z.B. Künstliche Intelligenz genutzt wird, um sich der Förderung der persönlichen Schreibkompetenz zu entziehen.

 

Was sind Ihre Pläne für nach der Pensionierung? Werden Sie weiterhin in irgendeiner Form im Bildungswesen oder in anderen Bereichen aktiv sein?

Als Projektleiter der Umsetzung der aktuellen Gymnasialreform werde ich dem Luzerner Gymnasialwesen noch eine Weile in einem kleinen Pensum erhalten bleiben. Daneben freue ich mich darauf, wieder mehr meinen philosophischen und theologischen Interessen nachgehen zu können und soziale Kontakte zu pflegen, die ich in den Berufsjahren etwas vernachlässigt habe. Schliesslich werde ich im Rahmen der Philosophischen Akademie Luzern in der philosophischen Erwachsenenbildung tätig sein.

«Ich freue mich darauf, wieder mehr meinen philosophischen und theologischen Interessen nachgehen zu können und soziale Kontakte zu pflegen, die ich in den Berufsjahren etwas vernachlässigt habe».

Stefan Graber übernimmt ab Sommer 2024 die Nachfolge von Hans Hirschi als Rektor der Kantonsschule Alpenquai. Seit 2015 ist er bereits Stellvertreter des Rektors. (Bild: zVg)
Stefan Graber übernimmt ab Sommer 2024 die Nachfolge von Hans Hirschi als Rektor der Kantonsschule Alpenquai. Seit 2015 ist er bereits Stellvertreter des Rektors. (Bild: zVg)

Wenn Sie einen Rat an Ihren Nachfolger und langjährigen Wegbegleiter Stefan Graber geben könnten, was würden Sie sagen?

Ich freue mich, dass Stefan Graber mein Nachfolger wird, mit dem ich schon viele Jahre sehr gut zusammenarbeiten durfte. Ich glaube nicht, dass er meinen Rat braucht.

 

Was bedeutet Ihnen die Kantonsschule Alpenquai Luzern persönlich, und welche Hoffnungen und Wünsche haben Sie für die Zukunft der Schule?

Obwohl das weder angestrebt noch geplant war, ist die Kantonsschule Alpenquai zu einem wesentlichen Teil meines Lebens geworden. Zusammen mit meiner Zeit als Schüler und einem kleinen Lehrauftrag während meines Studiums habe ich 44 Jahre an der Schule verbracht. Zudem habe ich mich auch immer wieder mit der Geschichte der Schule seit ihrer Gründung im Jahr 1574 befasst. Es ist verständlich, dass man unter diesen Voraussetzungen mit der Schule auch emotional verbunden bleibt. Ich wünsche der Schule, dass es ihr gelingt auch in Zukunft zu den Gymnasien zu gehören, die für eine hohe Qualität bekannt sind und dass sie dadurch immer wieder exzellente Lehrpersonen anzieht. Das wichtigste für eine gute Schule sind gute Lehrpersonen.


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