Text: Andrea Renggli / Vera Bergen
Spätestens bei einem Vorstellungsgespräch kann es hilfreich sein: Wenn man fremde Kulturen kennt und andere Sprachen spricht. Es ist sogar so wichtig, dass Bund und Kantone schon vor fünf Jahren beschlossen haben, dass Austausch und Mobilität zum festen Bestandteil jeder Biografie werden sollen. Das heisst, alle jungen Menschen sollen im Verlauf ihrer Ausbildung mindestens einmal an einem Austausch teilnehmen. Wie das geht und wer hilft, erfahren Sie hier.
Es klingt so einfach. Ein Schüler oder eine Schülerin möchte einen Aufenthalt in einer anderen Region der Schweiz oder im Ausland machen und sich sprachlich und kulturell weiterbilden. Nun aber wird es bereits schwierig. Denn für einen Austausch braucht es Partner und Partnerinnen, besser ein ganzes Netzwerk, und finanzielle Unterstützung. Was viele nicht wissen, hier kommen Lehrpersonen, Kantone und der Bund ins Spiel: Movetia - die nationale Austauschagentur kennt sich mit jeglichen Formen des Austauschs aus, die Partnerbörse «match and move» - sowas wie das Tinder des Austauschs - hilft nicht nur bei der Suche nach geeigneten Austauschorten, sondern auch mit finanziellen Beiträgen. Und die Lehrpersonen? Diese spielen bei Austausch und Mobilität eine grosse Rolle. Je nach Schulstufe können sie einzelne austauschwillige Lernende unterstützen oder gerade ihre ganze Klasse mit einer Partnerklasse verbinden. Hinzu kommt, dass auch Lehrpersonen durch einen eigenen Austausch die Thematik an ihren Schulen und in ihren Klassen fördern.
Vielleicht denken Sie sich jetzt: «Wie bitte, auch Lehrpersonen können einen Austausch machen?» Bei einem solchen Austausch geht es nicht darum, dass Lehrpersonen Ferien auf Staatskosten machen, sondern ein Netzwerk vor Ort zu schaffen und einen Besuch mit der Klasse in die Wege zu leiten. Dies nennt sich vorbereitender Besuch.
Vorbereitender Besuch auf La Réunion
Andrea Renggli hat im Herbst 2022 einen vorbereitenden Besuch auf La Réunion - einer französischen Insel im Indischen Ozean - absolviert. Dabei hat sie zwei Collèges besucht, Unterricht beobachtet, Lehrmittel kennengelernt und sich mit Lehrpersonen vernetzt. Dank dieses vorbereitenden Besuchs ist es für Schülerinnen und Schüler des Kantons Luzern nun einfacher, eine Partnerschaft mit einer Klasse oder Lehrperson von La Réunion einzugehen - sei es durch einen Aufenthalt vor Ort oder virtuell. Denn gerade für jüngere Schülerinnen und Schüler, die sich einen Aufenthalt weg von Daheim noch nicht vorstellen können, ist ein Austausch ohne Ortsverschiebung - also virtuell - eine interessante Möglichkeit, um erste Erfahrungen mit anderen Kulturen und Bräuchen zu sammeln.
Austausch ohne Ortsverschiebung
Für einen Austausch ohne Ortsverschiebung braucht es nur eine Partnerklasse in einer anderen Sprachregion und ein elektronisches Gerät. Im Französisch- oder Englisch-Unterricht wird dann beispielsweise ein Video - natürlich in der Fremdsprache - aufgenommen und dann an die Partnerklasse geschickt, welche wiederum darauf reagiert. Eine Deutschklasse in La Réunion könnte nun also, dank Andrea Rengglis Besuch, als Partnerklasse für eine Luzerner Französischklasse dienen. Für Gesprächsstoff bei einem Austausch ohne Ortsverschiebung wäre gesorgt:
Denn Andrea Renggli hat dank ihres vorbereitenden Besuchs festgestellt, dass Schulen und Lektionen in La Réunion doch ziemlich anders sind als in der Schweiz. Zu Beginn einer Lektion etwa stehen alle Schülerinnen und Schüler hinter ihren Stühlen, Schulareale werden zum Unterrichtsbeginn abgeschlossen, die Klassen sind grösser und es gibt eine Mensa und Hausaufgabenbegleitung. Auch ist das französische Schulsystem ziemlich anders und La Réunion hat mit sprachlichen und kulturellen Herausforderungen zu kämpfen. Dieses Wissen sorgt nicht nur bei einem Austausch ohne Ortsverschiebung für spannende Diskussionen, sondern erleichtert Austauschwilligen, die tatsächlich nach La Réunion reisen, sicherlich auch den Beginn ihres Aufenthalts.
Die unendliche Vielfalt des Austausches
Wie die Statistik der nationalen Austauschagentur Movetia zeigt, steigt die Nachfrage nach Austauschprojekten generell - ganz im Sinne von Bund und Kantonen. Alleine im Jahr 2021 hat die nationale Austauschagentur 29`276 «Mobilitäten» von Schweizerinnen und Schweizern ins In- und Ausland finanziell unterstützt. 2018 (also vor der Pandemie) waren es noch 22`390 Mobilitäten insgesamt. Innerhalb der Schweiz gab es im vergangenen Jahr 9`194 Mobilitäten. Auch hier sind die Zahlen im Vergleich zu 2018 mit 8`488 nationalen Mobilitäten angestiegen.
Vor allem die Form des nationalen Klassenaustausches ist in der Schweiz beliebt. Das kann ein Austausch mit oder ohne Ortsverschiebung sein. Beim nationalen Klassenaustausch geht es darum, dass sich zwei Klassen beispielsweise aus der Deutschschweiz und aus der Westschweiz näherkommen und dabei eine Fremdsprache lernen oder vertiefen. Das kann ohne Ortsverschiebung mit Briefen und/oder Skype-Gesprächen sein oder mit Ortsverschiebung mit gegenseitigen Besuchen, Austauschen in Halbklassen oder in einem Lager. Wobei im letzten Jahr die meisten Anfragen für diese Form von Austausch aus dem Kanton Wallis kamen.
Der Kanton Luzern hat mit 319 nationalen Mobilitätsprojekten ohne Ortsverschiebung noch ziemlich Luft nach oben und möchte gerade auf Stufe der Primar- und Sekundarschulen I vermehrt Austauschprojekte fördern. Ein vorbereitender Besuch für Lehrpersonen schafft die Möglichkeit, dass Lehrpersonen vor Ort Schule und Partnerlehrpersonen kennenlernen, um danach eine Begegnung mit einer Partnerklasse gut vorbereiten zu können.
Je nach Schulstufe gibt es andere Austauschmöglichkeiten
Grundsätzlich sind die Möglichkeiten für einen Austausch schier unbegrenzt. Was es für eine Form von Austausch wird, hängt von Alter- und Schul- bzw. Ausbildungsstufe ab. Gerade an Gymnasien und innerhalb der Berufs- und Hochschulbildung erfreuen sich Austauschprojekte im Bildungsbereich innerhalb Europas grosser Beliebtheit. So war 2021ein Rekordjahr mit 871 bewilligten Mobilitäten. Das Programm Europäische Mobilität Schulbildung bietet Lehrpersonen, Schulpersonal und seit 2021auch Schülerinnen und Schülern (was den Anstieg der bewilligten Mobilitäten erklärt) die Möglichkeit in Europa Weiterbildungen, Studienaufenthalte und Lehraufträge wahrzunehmen.
Wer einen Aufenthalt ausserhalb Europas wahrnehmen möchte, kann dies dank dem movetia-Projekt «internationales Klassenzimmer» tun. Dieses ermöglicht Klassen der Sek und Gymnasien sowie Studierenden der Hochschulen den Austausch mit Ländern, die nicht an Erasmus+ teilnehmen (zum Beispiel USA & Indien).
Fürs Leben lernen
Für Andrea Renggli, kantonale Austauschverantwortliche in der Dienststelle Volksschulbildung, ist spätestens seit ihrem vorbereitenden Besuch auf La Réunion klar, dass Sprachaustausch und Mobilität eine Bereicherung für alle sind. Denn sie fördern nicht nur sprachliche Kompetenzen, interkulturelle Verständigung, Eigenständigkeit, Selbstständigkeit, sondern auch globales Lernen. Menschen, die an einem Austausch teilnehmen, erschliessen sich die Welt und lernen sich in ihr zu orientieren, so Andrea Renggli. Kommt dazu, dass eine Lehrperson, die begeistert von einem vorbereitenden Besuch zurückkehrt, sicherlich einige Schülerinnen und Schüler mit ihrer Begeisterung für einen Austausch anstecken wird.
- Weitere Informationen zu Austausch und Mobilität im Kanton Luzern auf Stufe Volksschulbildung oder via Kantonale Austauschverantwortliche Andrea Renggli.
- Bei Fragen zu Austausch und Mobilität im Kanton Luzern auf Gymnasialstufe hilft Nicole Lampart-Grab weiter.
- Die Ansprechperson zu Austausch und Mobilität auf Stufe der Berufsbildung ist Katharina Fischer.
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