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Feuersteine, Mammutzähne und Schnapshunde: Ebbe Nielsen geht in Pension

Text: Jasmin Gerig

Bilder: Kantonsarchäologie Luzern

Fast 20 Jahre war Ebbe Nielsen als stellvertretender Kantonsarchäologe für den Kanton Luzern tätig. Er ist in ganz Europa als Eis- und Steinzeitexperte bekannt, hat unzählige Publikationen veröffentlicht und verfügt über ein beachtliches Fachwissen. Doch Ebbe Nielsen hat neben Feuersteinen und  Mammutzähnen noch eine ganz andere Leidenschaft – Schnapshunde! Nun geht der gebürtige Däne Ende 2020 in den Ruhestand.

In Ebbe Nielsens Büro ist es kühl. Tag für Tag sorgt ein Ventilator für ein nordisches Klima, welches dem ruhigen Mann mit dänischen Wurzeln offensichtlich liegt. «Kurzarmig» mag er es zudem. Darum sieht man ihn selten in langärmligen Oberteilen, auch im Winter nicht. Aber das ist schon alles, was den Archäologen als Skandinavier entlarvt. Der zweifache Familienvater lebt seit fast 40 Jahren in der Schweiz, ist mit einer Schweizerin verheiratet, fährt einen Subaru und mag lieber Fondue als Fisch.

Archäologie Ebbe Nielsen
Ebbe Nielsen (Mitte) kennt sich auch mit Mammuts bestens aus. Bergung Mammutstosszahn in der Kiesgrube Ballwil, 2006

Leidenschaft für Geschichte, Mensch und Umwelt

Fische mochte Ebbe schon als Kind nicht, deshalb schenkte der kleine Ebbe in seiner Kindheit seine Aufmerksamkeit lieber dem Vater, als den widerlich schmeckenden Meerestieren. Als passionierter Geschichtslehrer wusste der Vater beim Abendbrot nämlich stets Spannendes zu erzählen. Es spielte keine Rolle, ob komplizierte Thronfolgen am dänischen Königshaus oder blutrünstige Kriegszüge der Vikinger thematisiert wurden, in Ebbe Junior war eine Faszination für Mensch und Umwelt vergangener Zeiten entflammt. Auch wenn Jahre später kurz über eine militärische Karriere nachgedacht wurde, Ebbe zog es an die Universität nach Aarhus, wo er fortan Ur- und Frühgeschichte studierte. Dort begann eine grosse Leidenschaft für Silices*. Eine Leidenschaft, die bis heute anhält.

*Silices sind Werkzeuge und Geräte aus hartem, aber gut bearbeitbarem Gestein. Solche Steinobjekte sind besonders charakteristisch ab der späten Altsteinzeit bis vor ca. 4000 Jahren.

Archäologie Ebbe Nielsen
Fasziniert und glückselig. Ebbe Nielsen mit einer Schachtel Silices aus dem Wauwilermoos

Niemand kennt sich besser mit Silices aus, als Professor Nielsen. Seine Materialübungen an der Universität Bern waren berüchtigt, zumal die meisten der Studierenden am Anfang kaum Kieselsteine von Feuersteinen unterschieden konnten. Hundertausende Silices hat Ebbe im Rahmen seiner Habilitationsarbeit über das Paläolithikum und Mesolithikum in der Zentralschweiz** studiert und gezeichnet, um damit und unter Einbezug weiterer wissenschaftlichen Faktoren, eine Siedlungsgeschichte von 17'000 bis 5'500 v. Chr. zu rekonstruieren. Normalsterbliche hätte ein solch ehrgeiziges Projekt in die Knie gezwungen, aber nicht Ebbe – dafür ist er viel zu sehr ein «Vikinger».

 

** Paläolithikum und Mesolithikum: Das Paläolithikum (Altsteinzeit) war die erste und längste Periode der Urgeschichte und begann in Europa ca. vor 1 Million Jahren. Um ca. 10'000 v. Chr. wird die Altsteinzeit von der Mittelsteinzeit (Mesolithikum) abgelöst. Diese Periode der Urgeschichte war viel kürzer als die erste Phase und dauerte bis ca. 5'500 v. Chr.

Forschungsprojekt «Schnapshunde»

Wie viele Publikationen Prof. Dr. Ebbe Nielsen nebst seinem Habilitationswerk herausgegeben hat, weiss er heute nicht mehr so genau. Während der letzten 20 Jahren im Dienste der Kantonsarchäologie Luzern dürften es aber gegen 100 gewesen sein. Die meisten davon hat er in seiner Freizeit verfasst. Der Vollblutarchäologe kennt keinen «Feierabend», er findet immer irgendwo ein spannendes Thema oder ein kleines Forschungsprojekt – wie eben jenes der «Schnapshunde»

Archäologie Schnapshunde
Schnapshunde aller Art...

Irgendwie seltsam, zumal der Pensionär in spe nicht einmal eine besondere Vorliebe für alkoholische Getränke hat, erst recht nicht für Hochprozentiges. Daher erstaunt die Horde drolliger «Schnapshunde», welche im Büro Nielsen ausgestellt sind. Mehr zufällig sei er auf diese skurrilen Glasgefässe in Hundeform gestossen, beim Durchblättern einer Publikation über die neuzeitlichen Gläser der Produktionsstätten von Flühli, LU.*** Wer Ebbe kennt, weiss dass er eine Vorliebe für Hunde hat. Hündin Mira, die aussieht wie ein Eisbär, begleitet ihn seit 10 Jahren überall hin – ins Feld wie auch ins Büro. Also vielleicht doch nicht ganz zufällig, dass er sich für dieses Sujet interessiert?

*** In den Wäldern der Gemeinde Flühli gab es im 18. und 19. Jahrhundert verschiedene Glasereibetriebe. Die Glasi Hergiswil  zeigt die weltweit grösste Ausstellung dieser historisch wertvollen Gläser.

Archäologie Pfahlbausiedlung Wauwil
Ebbe Nielsen in der Pfahlbausiedlung Wauwil. Voll im Element und gut bewacht von Hündin Mira. Freizeittip: www.pfahlbausiedlung.ch

Ein reiches Vermächtnis

Der Ventilator im Büro des künftigen Pensionärs wird wahrscheinlich höchstens noch an warmen Sommertagen im Einsatz sein und fast 100 Schnapshunde ziehen bald zusammen mit Ebbe und seiner Frau in den Kanton Bern zurück, die erste Heimat des Wahlschweizers. Ebbe Nielsen wird uns nicht nur als stellvertretender Kantonsarchäologe und Wissenschaftler fehlen, wir werden auch seinen dänischen Humor und «Bürohündin» Mira vermissen. Was uns aber bleibt, ist ein überaus reiches Vermächtnis an (populär-) wissenschaftlichen Beiträgen und archäologischen Vermittlungsangeboten, die ohne Ebbe Nielsens tatkräftige Unterstützung nicht entstanden wären. 

Und: wir freuen uns auf die nächste Publikation – am liebsten über «Schnapshunde»!

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