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Flexibel und familienfreundlich: Spezielles Modell für Heilpädagogik-Studium an der PH Luzern

Interview: Pädagogische Hochschule Luzern / Blogredaktion

Bilder: Pädagogische Hochschule Luzern / zVg

Im Kanton Luzern fehlt es seit über zehn Jahren an Schulischen Heilpädagoginnen und Heilpädagogen. Die Pädagogische Hochschule PH Luzern wirkt dem Fachkräftemangel mit einem praxisnahen und flexiblen Studium entgegen. Der Kanton und die Gemeinden reagieren mit einem finanziellen Unterstützungsangebot, für Personen mit familiären Verpflichtungen, für die ein entsprechendes Studium ohne Unterstützung nicht leist- bzw. finanzierbar wäre. Isabelle Egger Tresch und Thomas Müller, Co-Leitende des Studiengangs Schulische Heilpädagogik an der PH Luzern, stellen die neue Massnahme vor, die dabei helfen soll, dringend benötigte Fachkräfte zu gewinnen und die Bildungsqualität für Kinder mit besonderen Bedürfnissen nachhaltig zu sichern.


Für eilige Leserinnen und Leser: 

  • Der Fachkräftemangel in der Schulischen Heilpädagogik ist im Kanton Luzern besonders gross. Ziel des neuen Unterstützungsangebots von Kanton und Gemeinden (vgl. Medienmitteilung vom 06.02.2025) ist es, mehr qualifizierte Personen für diesen Beruf zu gewinnen und die Bildungsqualität langfristig zu sichern.
  • Der Kanton Luzern und Luzerner Gemeinden bieten eine finanzielle Zulage für Studierende an, die das Studium Schulische Heilpädagogik aufgrund von familiären und finanziellen Verpflichtungen nicht gewählt haben. Diese werden während der berufsbegleitenden Ausbildungszeit finanziell unterstützt. 
  • Das Studium richtet sich primär an bereits ausgebildete Lehrpersonen, kann aber mit Zusatzleistungen (in Luzern als «Quereinstieg» bezeichnet) auch von Personen mit einem Bachelor-Abschluss in einem studienverwandten Bereich besucht werden.
  •  Ein spezielles Konzept der Pädagogischen Hochschule Luzern erlaubt es, flexibel zum Studienabschluss zu gelangen: Heilpädagogische Spezialisierungen im Bereich der Grundausbildung (Profil Heilpädagogik SEK I) und ausgewählte heilpädagogische Weiterbildungsangebote können neu vollumfänglich dem Masterstudium angerechnet werden und verkürzen es so bedeutend. 
  • Das Studium an der PH Luzern ist stark praxisorientiert. Studierende setzen Gelerntes direkt in ihrem Berufsalltag um und profitieren von enger Begleitung durch Mentorinnen und Mentoren.

Dr. sc. hum. Isabelle Egger Tresch und MA Thomas Müller teilen sich seit 2021 die Leitung des Studiengangs Schulische Heilpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Luzern. (zVg)
Dr. sc. hum. Isabelle Egger Tresch und MA Thomas Müller teilen sich seit 2021 die Leitung des Studiengangs Schulische Heilpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Luzern. (Bilder: zVg)

Thomas Müller und Isabelle Egger Tresch, als Co-Leitende des Studiengangs Schulische Heilpädagogik an der Pädagogischen Hochschule PH Luzern, sind Sie eigentlich in einer komfortablen Situation: Der Bedarf an Fachkräften ist bekannt, und viele Gemeinden und Schulen haben die nötigen Budgets...

Thomas Müller (TM): Das stimmt – eigentlich. Wir können so weit gehen, dass wir behaupten dürfen: Wer sich zur Schulischen Heilpädagogin oder zum Schulischen Heilpädagogen ausbilden lässt, findet in der Berufswelt ganz viele offene Türen. Aber selbst die seit Jahren anhaltende positive Entwicklung der Anzahl Personen, welche diese Ausbildung an der PH Luzern absolviert, vermag die Nachfrage nicht zu stillen.

 

Können Sie die aktuelle Situation näher beziffern?

Isabelle Egger Tresch (IET): Tatsächlich stellen wir fest, dass es im Kanton Luzern seit mehr als zehn Jahren einen ausgeprägten Mangel an SHP-Fachpersonen gibt. Die Ausbildungsquote liegt unter 50 Prozent. Das heisst, weniger als die Hälfte der Personen, die in der integrativen Förderung arbeiten, sind voll ausgebildet dafür. Gerade für Schülerinnen und Schüler jedoch, die die besondere Förderung benötigen, ist ein spezifisch qualifiziertes Umfeld besonders wichtig.

 

TM: Gleichzeitig gilt es zu beachten, dass es starke regionale Unterschiede gibt. So ist in den weiteren Zentralschweizer Kantonen der Fachkräftemangel deutlich weniger ausgeprägt und auch innerhalb des Kantons Luzern gibt es starke Schwankungen in der Quote an ausgebildeten Schulischen Heilpädagoginnen und -pädagogen.

Wie erklären Sie sich diese Situation? 

TM: Grundsätzlich gibt es viele Lehrpersonen, die eine hohe intrinsische Motivation mit sich bringen, als SHP tätig zu sein. Das zeigt sich unter anderem daran, dass die Stellen zumeist nicht grundsätzlich unbesetzt bleiben; sie können einfach nicht durchwegs mit voll ausgebildetem Personal besetzt werden. Eine Befragung von rund 130 solchen nicht voll ausgebildeten Lehrpersonen im Frühling 2021 im Rahmen des Forschungsprojekts «Fachkräftemangel Heilpädagogik in der Zentralschweiz – Ursachen, Analyse und Strategieentwicklung» hat gezeigt, dass diese durchaus gerne als SHP arbeiten.

 

IET: Viele dieser Personen haben allerdings eine Familie und sind sich bewusst, dass der Aufwand, drei Jahre ein berufsbegleitendes Studium zu absolvieren, beträchtlich ist: Die zeitliche und finanzielle Belastung kann je nach persönlicher Situation eine grosse Hürde sein. Wir haben auch deshalb grossen Respekt vor der Leistung unserer Studierenden.

Der berufsbegleitende Master in Schulischer Heilpädagogik qualifiziert Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen zu fördern.
Der berufsbegleitende Master in Schulischer Heilpädagogik qualifiziert Lehrpersonen, Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen zu fördern.

Sollte dann nicht einfach das Studium gekürzt und weniger anspruchsvoll gestaltet werden?

TM: Gegenfrage: Sollten wir aufgrund des Ärztemangels nicht einfach die entsprechende Ausbildung kürzen und weniger anspruchsvoll gestalten? Ich glaube, dass die Ansprüche an SHP im Feld nicht ab-, sondern tendenziell eher zugenommen haben, genauso, wie dies wohl auch bei Ärztinnen und Ärzten der Fall ist. Genauso, wie Patientinnen und Patienten ein Recht auf gut ausgebildetes medizinisches Fachpersonal haben, haben Schülerinnen und Schüler mit besonderen Bedürfnissen ein Anrecht auf gut qualifizierte SHP.   

 

IET: Daneben gibt es von der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und - direktoren (EDK) Vorgaben, die eingehalten werden müssen. Schliesslich ist mit dem Masterabschluss auch der Erwerb eines schweizerisch anerkannten Lehrdiploms in «Sonderpädagogik, Vertiefungsrichtung Schulische Heilpädagogik» verbunden. 

Das heisst faktisch, die PH Luzern kann nichts gegen den Fachkräftemangel tun?

IET: Das wäre deutlich zu kurz gegriffen. Natürlich müssen, können und wollen wir unser Studium unter Einhaltung der vorgegebenen Rahmenbedingungen an den Bedürfnissen unserer Studierenden ausrichten.

 

TM: Diverse Befragungen haben gezeigt, dass vor allem eines wichtig ist für unsere Studierenden: ein hoher Praxisbezug. Deshalb legt unser berufsbegleitender Studiengang grosses Gewicht auf eine enge Verzahnung von Theorie und Praxis: Vom ersten Studientag an erhalten unsere Studierenden Aufträge, die sie in der Praxis umsetzen müssen. Und die dabei gemachten Erfahrungen bringen sie dann wieder in den Ausbildungskontext mit. Das ist ein spannender und sehr lernwirksamer Kreislauf, sowohl für unsere Studierenden als auch für uns Dozierenden. 

«Schulleitungen und auch kantonale Volksschulämter können Studierende mit verschiedenen Massnahmen entlasten.»

Gibt es im Studiengang Schulische Heilpädagogik neben dem hohen Praxisbezug weitere Markenzeichen?

IET: Wir achten auf eine persönliche Begleitung, beispielsweise indem die Praxisbegleitung über drei Jahre hinweg durch die gleiche Mentoratsperson übernommen wird und indem wir mit kleinen, konstanten Mentoratsgruppen arbeiten, in denen sich Studierende auch gegenseitig beraten. Online-basierte Lernangebote unterstützen den Wissensaufbau im Selbststudium und ermöglichen es uns, das Studium mit einer extrem geringen Präsenzzeit von einem Tag pro Woche anzubieten. Dass dieser Präsenztag über drei Studienjahre hinweg konstant bleibt, ist ein weiteres wichtiges Markenzeichen, das gerade von Studierenden mit Mehrfachbelastung sehr geschätzt wird. Das hat grad jüngst wieder eine Umfrage unter unseren Studierenden gezeigt. Die insgesamt 96 Präsenztage sind so von Beginn weg transparent, das Selbststudium kann beliebig auf die Woche verteilt werden, und bei Bedarf kann das Studium auch verlängert werden, um Ausbildung, Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können.

 

TM: Überhaupt haben wir mit unserem Nukleus-Konzept darauf geachtet, dass das Studium auch etappiert angegangen werden kann. Beim Nukleus-Konzept haben der Masterstudiengang Schulische Heilpädagogik, der Regelstudiengang SEK I mit Profil Heilpädagogik und die Weiterbildung Master of Advanced Studies in Integrativer Förderung ein gemeinsames Kerncurriculum, den sogenannten Nukleus. Das ermöglicht flexible Übergänge zwischen den drei Studienangeboten. Wer beispielsweise im Rahmen der Ausbildung zur Sekundarlehrperson das Profil Heilpädagogik gewählt hat, kann direkt ins zweite Studienjahr des Masters in Schulischer Heilpädagogik einsteigen und auch die bereits erbrachte Masterarbeit kann vollumfänglich angerechnet werden. 

Das SHP-Studium an der PH Luzern entspricht faktisch einem 50-Prozent-Pensum. Die Studierenden verbringen aber nur einen Tag pro Woche an der PH Luzern, die restliche Studienzeit entfällt auf das Selbststudium, das flexibel eingeteilt werden kann.
Das SHP-Studium an der PH Luzern entspricht faktisch einem 50-Prozent-Pensum. Die Studierenden verbringen aber nur einen Tag pro Woche an der PH Luzern, die restliche Studienzeit entfällt auf das Selbststudium, das flexibel eingeteilt werden kann.

Aber das Studium bleibt so oder so anspruchsvoll und ist deshalb gerade für studieninteressierte Personen mit Familie eine grosse Herausforderung...

TM: Das ist auf jeden Fall richtig. Richtig ist aber auch, dass Schulleitungen und auch kantonale Volksschulämter Studierende mit verschiedenen Massnahmen entlasten können.

Was sind das für Massnahmen, welche die Studierenden entlasten?

TM: In der zuvor erwähnten Untersuchung haben sich studieninteressierte Personen beispielsweise gewünscht, dass ihnen Schulleitungen Pensenreduktionen ermöglichen, die für das Studium notwendig sind. Zudem wünschen sie sich auch zeitliche Entlastungen am Arbeitsort, wie zum Beispiel die Entbindung von Ämtchen, von zusätzlichen Weiterbildungen oder von gegenseitigen Hospitationen. Und nur schon die Organisation von Stellvertretungen, die dann und wann durch das Studium entstehen können, würde von den Befragten sehr geschätzt.

 

IET: Der wohl wichtigste Punkt betrifft aber das Einkommen während der Ausbildung. Da das Studium ein 50%-Pensum in Anspruch nimmt, müssen die meisten Personen ihr Arbeitspensum während des Studiums reduzieren und erfahren hierdurch beträchtliche Lohneinbussen. Auch hier haben diverse Kantone und Gemeinden aber schon Massnahmen ergriffen, um dieser finanziellen Einbusse entgegenzuwirken.

 

TM: Ein besonders gutes Beispiel hierfür ist der Kanton Luzern, der in den Jahren 2025-2030 Studierende, die eine Familie haben, jährlich mit einem finanziellen Beitrag unterstützt (vgl. Infobox).


Infobox: Finanzielles Unterstützungsangebot für Studierende im Master Schulische Heilpädagogik

Zulagenberechtigt ist eine Person, sofern sie

  • eine Anstellung an einer öffentlichen Volksschule (inklusive kantonale Sonderschulen) im Kanton Luzern hat.
  • während des Studiums in einem Unterrichtspensum von mindestens neun Lektionen (rund 30%) tätig ist.
  • für mindestens ein eigenes Kind im eigenen Haushalt betreuungspflichtig ist (bis vollendetem 16. Lebensjahr).
  • den Nachweis der Anmeldebestätigung der PH Luzern (1. Semester) oder den Nachweis des laufenden MA SHP (Folgesemester) an der PH Luzern vorweisen kann.
  • einen gegenseitig unterzeichneten Ausbildungsvertrag mit der Dienststelle Volksschulbildung DVS mit einer Verpflichtungszeit nach Abschluss des Studiums vorweisen kann.
  • Sind die ersten drei Voraussetzungen erfüllt, können Interessierte einen Antrag für einen Ausbildungsvertrag stellen. 

Wenn sich nun Lesende angesprochen fühlen, können Sie sich direkt für den Masterstudiengang in Schulischer Heilpädagogik SHP anmelden?

TM: Sofern sie die Aufnahmebedingungen erfüllen, auf jeden Fall. Wir nehmen sehr gerne alle Studierenden auf, welche über ein schweizerisch anerkanntes Lehrdiplom verfügen. Sicherlich lohnt es sich aber, sich vorher ausführlich auf unserer Website zu informieren.


Informationen rund um den Master in Schulischer Heilpädagogik

Regulärer Einstieg 

Quereinstieg



Werden denn nur Personen mit einem Lehrdiplom aufgenommen oder sind auch Quereinsteigende willkommen?

IET: Ja, seit über 10 Jahren können studieninteressierte Personen ohne Lehrdiplom, welche über einen Bachelor- oder Master-Abschluss in einem verwandten Studienbereich verfügen, den Quereinstieg Schulische Heilpädagogik absolvieren. Als studienverwandte Abschlüsse gelten beispielsweise Erziehungswissenschaften oder Klinische Heilpädagogik, Logopädie, Psychologie, Psychomotorik-Therapie oder Sozialpädagogik (FH). Dieser Quereinstieg dauert berufsbegleitend ein bis zwei Jahre.

 

Und wenn ich über keinen Bachelor-Abschluss verfüge?

TM: Dann ist die Aufnahme ins Studium tatsächlich nicht möglich. Da es sich um ein Masterstudium handelt, ist ein Bachelor-Abschluss in einem studienverwandten und/oder ein Lehrdiplom zwingende Voraussetzung. Wir bauen in unserem Studiengang auf entsprechendes pädagogisches Vorwissen auf. Nur so können wir die verlangte Ausbildungsqualität sicherstellen, die letztendlich den Schülerinnen und Schülern und dem Bildungssystem insgesamt zugutekommt. 

Der Master in Schulischer Heilpädagogik richtet sich an ausgebildete Lehrpersonen und baut auf entsprechendem Vorwissen auf. Für Personen mit Bachelor-Abschluss in einem studienverwandten Bereich besteht die Möglichkeit eines Quereinstiegs.
Der Master in Schulischer Heilpädagogik richtet sich an ausgebildete Lehrpersonen und baut auf entsprechendem Vorwissen auf. Für Personen mit Bachelor-Abschluss in einem studienverwandten Bereich besteht die Möglichkeit eines Quereinstiegs.

Und wozu befähigt dann das Studium letztendlich?

TM: Grundsätzlich stehen «Situationen besonderen Bildungsbedarfs» im Zentrum unserer Ausbildung. Wenn Bildung besonders anspruchsvoll wird, kommen Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen zum Einsatz.

 

IET: Das kann zum Beispiel bei der Schulung von Kindern mit kognitiven Beeinträchtigungen oder auch Einschränkungen im Bereich der Wahrnehmung wie zum Beispiel starken Seh- oder Hörbeeinträchtigungen der Fall sein oder auch bei Schwierigkeiten im Erlernen von Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben oder Rechnen.

 

TM: Schliesslich können Situationen besonderen Bildungsbedarfs aber auch durch anspruchsvolles Verhalten einzelner Schülerinnen und Schüler entstehen oder durch anspruchsvolle Klassenzusammensetzungen. Wichtig scheint uns in diesem Zusammenhang der Hinweis, dass ein solcher besonderer Bildungsbedarf nie bei einem einzelnen Kind zu suchen ist, sondern vielmehr in der Interaktion zwischen dem Kind und dessen Umfeld entsteht. 

«Wenn Bildung besonders anspruchsvoll wird, kommen Schulische Heilpädagoginnen und Heilpädagogen zum Einsatz.»

Wie verfolgen Sie Diskussionen und Medienberichterstattung zum Thema Integration? Es gibt ja immer wieder Meldungen und Behauptungen, wonach die schulische Inklusion gescheitert sei…

TM: Dass es sehr anspruchsvolle Situationen im Schulalltag gibt, erleben auch wir an der PH Luzern täglich – durch Erzählungen von Studierenden, durch Unterrichtsbesuche, die wir im Rahmen der Ausbildung bei unseren Studierenden machen, durch Anfragen von Studierenden und auch durch Erzählungen von zahlreichen Dozierenden, die nach wie vor in der Praxis tätig sind. Was ich dabei immer wieder feststellen kann, ist, dass jeder Fall anders ist. Und genau so individuell wie die Fälle sind, so individuell müssen auch die Lösungen sein. Ich erachte es als eine grosse Gefahr, dass medial dokumentierte Fälle von gescheiterter Integration zum Gedanken verleiten könnten, dass die Inklusion insgesamt gescheitert ist und es zwingend wieder mehr separative Strukturen braucht. 

 

IET: Das ist aber falsch. Es gibt sehr zuverlässige Belege aus der Wissenschaft, dass die Inklusion gegenüber der Separation zahlreiche Vorteile hat und auch gelingt, und zwar nicht nur unter «Laborbedingungen», sondern auch im Alltag. Unser Kollege Alois Buholzer hat im vergangenen Sommer eine Zusammenstellung von wichtigen Studienergebnissen zu verschiedenen Fragen der Inklusion gemacht und diese sprechen eine eindeutige Sprache: Kinder mit besonderem Bildungsbedarf profitieren von einem inklusiven Bildungssystem und Kinder ohne besonderen Bildungsbedarf erfahren dadurch keinerlei Benachteiligung, sofern es in der Klassenzusammensetzung nicht zu extremen Häufungen von Kindern mit besonderem Bildungsbedarf kommt. Gerne machen wir in diesem Zusammenhang auch auf den Podcast mit Alois Buholzer aufmerksam, der die entsprechenden Studienergebnisse prägnant zusammenfasst.  

 

TM: Summa summarum haben wir den Eindruck, dass Problemfälle, welche es zweifelsohne gibt, medial teilweise recht grosse Aufmerksamkeit erfahren, während gelingende Inklusion kaum Thema ist. Das widerspiegelt nicht die wissenschaftliche Datenlage und auch nicht die Erzählungen und Erfahrungen von unseren Studierenden und Dozierenden.

 

IET: Wir sind überzeugt, dass gerade solche positiven Beispiele in den Medien dazu beitragen könnten, der breiten Bevölkerung ein aus wissenschaftlicher Sicht realistischeres Bild über die Situation der Inklusion zu vermitteln.

Könnten Sie ein positives und aktuelles Beispiel schildern?

TM: Ja, sehr gerne! Es stammt vom Dezember 2024. Eine Studentin, welche das erste Semester der Ausbildung absolviert hat, erzählte im Mentorat von einer äusserst anspruchsvollen Situation in ihrer Schulpraxis. Ein Junge zeigt ihren Erzählungen gemäss sehr auffälliges Verhalten und die Integration schien aufgrund dieses Verhaltens gefährdet. Sie selbst hielt das Kind noch vor einem halben Jahr als «nicht integrierbar». Durch die Umsetzung von Konzepten, die sie im ersten Semester ihres Studiums kennen gelernt hatte, gelang es, die Situation schrittweise zu verbessern, so dass aktuell eine Separation des Kindes nicht mehr zur Diskussion steht. Solche Erzählungen zeigen, dass mit viel Fachwissen und pädagogischem Geschick auch anspruchsvolle Situationen gemeistert werden können.

Dank heilpädagogischem Fachwissen und pädagogischem Geschick können auch anspruchsvolle Situationen gemeistert werden.
Dank heilpädagogischem Fachwissen und pädagogischem Geschick können auch anspruchsvolle Situationen gemeistert werden.

Zum Schluss ein Blick in die Zukunft: Wie, denken Sie, wird sich die Situation an der PH Luzern und an den Volksschulen entwickeln?

IET: Der Blick in die Kristallkugel ist nie ganz einfach. Ich glaube aber, dass die Aus- und Weiterbildungen im Bereich der Volksschule an der PH Luzern noch einmal attraktiver und flexibler gestaltet sein werden, als sie das heute schon sind. Entsprechend werden die Studierendenzahlen steigen. Da aber auch die Bevölkerung mittelfristig wächst, wird der Fachkräftemangel zumindest in den nächsten paar Jahren noch spürbar bleiben.

 

TM: Mittel- bis langfristig vermuten wir aber, dass es zu einer Entspannung kommt. Wir sind sehr zuversichtlich, dass das finanzielle Unterstützungsangebot des Kantons und der Gemeinden sowie die gute Zusammenarbeit zwischen der PH Luzern und der Dienststelle Volksschulbildung Wirkung zeigen wird.  


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