Interview: Titus Bürgisser, PH Luzern
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Welche Handlungsmöglichkeiten haben Lehrpersonen, um an den Schulen die psychische Gesundheit zu fördern? Was ist zu tun bei möglichen psychischen Störungen bei Kindern und Jugendlichen – und wo sind Grenzen angezeigt? Doris Kunz Heim ist Professorin für Pädagogische Psychologie an der FHNW in Olten. Sie beleuchtet das Thema im Interview und hat auch persönliche Botschaften für Lehrpersonen.
Was kann die Schule und was können Lehrperson zur Förderung der psychischen Gesundheit beitragen?
Doris Kunz Heim: Massnahmen zur Förderung der psychischen Gesundheit sind dieselben, die auch zu einer guten Lernatmosphäre und damit zum Lernerfolg der Kinder und Jugendlichen beitragen: Ein gutes Schulklima, gegenseitiger Respekt und eine angstfreie Atmosphäre, in der sich die Schülerinnen und Schüler entfalten können. Auf Ebene Lehrperson gehören dazu auch guter Unterricht, faire und transparente Lernkontrollen, sowie der Aufbau von verlässlichen Beziehungen zu und zwischen den Schülerinnen und Schülern. Auf Ebene Schule ist es hilfreich, wenn sich Lehr- und Fachpersonen aktiv mit dem Thema befassen und einen Konsens über die Bedeutung des Begriffes «psychische Gesundheit» und dessen Förderung im Schulalltag entwickeln.
Wann muss eine Lehrperson aufmerksam werden und wie kann sie reagieren?
Zunächst ist es wichtig, dass Lehrpersonen ihre Möglichkeiten und Grenzen kennen. Die Aufgabe der Lehrperson ist es, auf eine mögliche Problematik aufmerksam zu werden und wenn nötig weitere Schritte einzuleiten, zum Beispiel den Kontakt zur Schulsozialarbeit oder zu den Eltern herzustellen. Eine Lehrperson ist jedoch nicht dafür ausgebildet, Diagnosen zu stellen und sie ist auch nicht Therapeutin oder Therapeut.
Aufmerksam werden sollten Lehr- und Fachpersonen bei plötzlicher Veränderung im Verhalten eines Schülers oder einer Schülerin, die mindestens zwei Wochen andauert, wie beispielsweise viele Absenzen, erhöhte Reizbarkeit, sozialer Rückzug. Wichtig ist zudem, nicht alleine zu handeln, sondern sich mit anderen Lehr- und Fachpersonen auszutauschen. Wenn an einer Schule nach dem Konzept der Früherkennung und Frühintervention gearbeitet wird, schafft dies für alle Beteiligten Klarheit über die Prozesse und die Zuständigkeiten. Dieses Konzept ist nutzbar für alle möglichen Gefährdungen von Schülerinnen und Schülern, nicht nur für mögliche psychische Probleme.
Wenn die Abläufe klar sind, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Lehrpersonen auch aktiv werden. Zudem ist es gut, wenn jemand das Thema hütet. Zentral ist die Zusammenarbeit im Kollegium mit Schulsozialarbeit und Schulischer Heilpädagogik sowie die Beteiligung und Unterstützung durch die Schulleitung.
Machen denn das die Lehrpersonen nicht schon jetzt? Oder anders gefragt: Was sind die Schwierigkeiten bei der Umsetzung? Was braucht es, damit diese gelingt?
Meine Erfahrung ist, dass die Förderung der psychischen Gesundheit den Lehrpersonen generell am Herzen liegt und viele diesbezüglich sehr engagiert sind. Es gibt erschwerende Bedingungen: Der Anteil von Schülerinnen und Schülern mit Schwierigkeiten kann gross und herausfordernd sein. In diesem Fall können auch die engagiertesten Lehr- und Fachpersonen an ihre Grenzen kommen.
Was ist ihre persönliche Botschaft an die Lehrpersonen?
- Eigene Unsicherheiten im Umgang mit möglichen psychischen Störungen abbauen. Einen angstfreien und sachlichen Umgang damit pflegen.
- Psychische Störungen, die mit Rückzug von Schülerinnen und Schülern verbunden sind (z.B. Ängste) nicht übersehen, da diese Kinder im Unterricht still und nicht auffällig sind, Anzeichen für Rückzug wahrnehmen (besonders Mädchen sind davon betroffen).
- Zuversichtlich sein, dass die Förderung der psychischen Gesundheit allen zugutekommt, auch den Lehrpersonen, weil sie zu einer guten lernfördernden Atmosphäre in der Schule beiträgt.
Psychische Gesundheit: Vielfältige Unterrichtsangebote
Die Gesundheitsförderung Schweiz engagiert sich gemeinsam mit den Kantonen für die Umsetzung der Nationalen Strategie im Bereich physische und psychische Gesundheit und setzt nationale Ziele. In Anlehnung daran definiert der Kanton Luzern seine eigenen Ziele und Massnahmen. Die Dienststelle Volksschulbildung DVS arbeitet für die Zielgruppe Kinder und Jugendliche mit der Dienststelle Gesundheit zusammen und stellt den Schulen im Bereich Ernährung/Bewegung und psychische Gesundheit vielfältige Unterrichtsangebote und Schulprogramme zur Verfügung.
Weitere Informationen: Website DVS Gesundheitsförderung
Prof. Dr. Doris Kunz Heim ist Professorin für Pädagogische Psychologe und Allgemeine Didaktik. Sie lehrt und forscht an der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW in Olten zum Thema psychosoziale Gesundheit. Ihre Forschungsschwerpunkte sind psychosoziale Gesundheit von Lehrpersonen sowie professionelle Entwicklung von Lehrpersonen im institutionellen Kontext.
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Anonym (Mittwoch, 01 Mai 2024 11:07)
Diese Informationen haben mir weitergeholfen Dankr