Text: Vera Bergen
Vorschaubild: Gabriela Mischkale
«In Emmenbrücke soll ein Mann mit einer roten Jacke Kinder verfolgen». Es ist Dienstag-Abend, 16.15 Uhr und in der Chatgruppe einer Schulklasse in Emmenbrücke und in den sozialen Medien kursiert diese beunruhigende Nachricht. Was tun, wenn via Social Media solche Meldungen geteilt werden? Wie können Eltern sicherstellen, ob es sich um Fake News oder wahre Meldungen handelt? Und gleichzeitig sicherstellen, dass Kinder sensibilisiert und damit geschützt werden? Wir haben bei der Luzerner Polizei nachgefragt.
Eltern mit Schulkindern in diversen Luzerner Gemeinden haben es gerade vergangene Woche erlebt. Plötzlich waren die sozialen Medien voll mit Meldungen wie: «In Littau und Ebikon stehen Männer vor Schulen», «In Emmenbrücke war ein Mann mit einem Messer vor dem Schulhaus», «ein Mädchen wurde in Reussbühl belästigt» oder eben «ein Mann mit einer roten Jacke verfolgt in Emmenbrücke Kinder». Logisch bricht da bei Eltern und/oder Erziehungsberechtigten Panik aus.
«Nur» eine Gemeinde betroffen
Die Schulleitungen und Lehrpersonen, die in kurzer Zeit mit Anfragen überhäuft wurden, haben schnell reagiert. Abklärungen bei der Polizei hätten ergeben, dass in Emmenbrücke keine derartigen Vorfälle bekannt seien, meldet die Gemeinde Emmen am nächsten Tag. Im Luzerner Stadtteil Littau hingegen gab es bedauerlicherweise zwei Vorfälle: Zirka zwei Wochen vor und kurz nach den Herbstferien habe ein Mann auf der Löchlitreppe in Littau Schulkinder angesprochen, heisst es in einem Brief der zuständigen Schule an die Erziehungsberechtigten. Beide Male hat sich der Mann unsittlich verhalten. Glücklicherweise haben die betroffenen Mädchen richtig reagiert und konnten der Situation entfliehen.
Wie kommt es aber dazu, dass aus zwei realen und gemeldeten Fällen in Littau plötzlich unzählige fiktive Fälle werden, welche auf Social Media ihre Runden drehen?
Bekanntes Phänomen
Laut Yanik Probst von der Luzerner Polizei gibt es bei Meldungen über Ereignisse auf dem Schulweg, wie im Falle der Schule im Luzerner Stadtteil Littau, häufig einen solchen Effekt. «Gerade in den sozialen Medien tauchen dann plötzlich viele angeblich ähnliche Vorfälle, teils auch in anderen Gemeinden oder Regionen, auf. Zudem werden oftmals in Chatgruppen (Whats-App oder ähnlich) Warnmeldungen weitergeleitet, ohne dass diese vorher verifiziert wurden». Beim Spiel mit der Angst von besorgten Eltern ist es naheliegend, dass solche Meldungen schnell die Runde machen. Schliesslich ist es vergleichsweise einfach, mit einem Post möglichst viele andere Eltern vor möglicherweise bedrohlichen Situation für ihre Kinder zu warnen.
Die Schattenseiten von Social Media
Woher kommen diese Ursprungsmeldungen und wieso machen sich Menschen die Mühe, solche Meldungen via ihre Instagram-Story, Facebook-Posts oder Tiktok-Beiträge zu verbreiten? Darüber lässt sich nur mutmassen. Manche Menschen sind vielleicht aufgrund der Ursprungsmeldung misstrauischer und sehen deswegen «Gespenster». Vielleicht wollen sie auch wirklich andere warnen, weil sie der Überzeugung sind, dass auch bei ihnen etwas passiert ist. Es könnte aber auch sein, dass es ihnen – wie bei Fake News üblich – darum geht (ungerechtfertigte) Aufmerksamkeit zu erhalten. Was im vorliegenden Fall auch gelungen ist. Die Meldungen verbreiteten sich in Windeseile. Sie zogen sogar so weite Kreise, dass auch die Luzerner Polizei das Thema in den sozialen Medien aufgreift: «Wir appellieren an alle, auf Social-Media-Posts zu angeblichen Vorfällen zu verzichten und dadurch unbegründete Panik zu vermeiden», heisst es beispielsweise auf Instagram.
Es ist schwierig, Fake News zu erkennen
Gerade wenn solche Posts von einem privaten Profil stammen, ist eine gewisse Skepsis angebracht. «Meist werden diese Posts von Personen gemacht, die angebliche Informationen nur vom Hörensagen haben», erklärt Yanik Probst. Daher sollten auch nur Posts von offiziellen (und verifizierten) Accounts geteilt werden. Denn: «Für Laien ist es oft schwer zu überprüfen, ob eine solche Meldung der Wahrheit entspricht», so Probst weiter. «Betrifft es die eigene Region oder Schule, so können Eltern mit der Schule Kontakt aufnehmen, um nachzufragen, was es damit auf sich hat. Man darf sich aber auch direkt bei der Polizei melden, um so etwas zu verifizieren».
Auch beim Schulweg ist Vorsicht besser als Nachsicht
Es lohnt sich also seine Kinder und auch sich selbst auf die Gefahren von Social Media immer wieder zu sensibilisieren. Genauso wie es auch wichtig ist, mit Kindern über mögliche Gefahren auf dem Schulweg zu sprechen. Und zwar nicht nur dann, wenn bereits konkrete Meldungen oder Gerüchte vorhanden sind. Dabei können sie ihrem Kind mitgeben, dass es sich nicht auf Gespräche mit Unbekannten einlassen sollte (wobei nicht jede Person, die ein Kind anspricht, Böses im Sinn hat) und «sich zügig an einen Ort begeben soll, an welchem andere Personen anwesend sind», so Yanik Probst.
Bei solchen Gesprächen ist es wichtig, «dass den Kindern keine Angst gemacht wird. Das Gespräch sollte sachlich und aufklärend sein und nicht einschüchternd». Weiter liegt es nahe, dass – wenn möglich – dafür gesorgt wird, dass Kinder den Schulweg nicht alleine, sondern mit «Gspändlis» gehen können, dass mit dem Kind zeitliche und örtliche Vereinbarungen getroffen werden und man auf die Pünktlichkeit der Kinder achtet.
Die Schweizerische Kriminalprävention weist in ihrer Broschüre «Ihr Kind, alleine unterwegs – So schützen Sie es trotzdem!» zudem darauf hin, dass mit dem Kind sogenannte Rettungsinseln auf dem Schulweg angeschaut werden. Das kann beispielsweise ein Geschäft sein oder ein Haus, wo das Kind bei Bekannten klingeln kann. Entscheidend ist laut der Schweizerischen Kriminalprävention auch, dass dem Kind bei der Erziehung generell Selbstvertrauen mit auf den Weg gegeben wird. Denn «Täter sprechen unsicher und unselbständig wirkende Kinder bevorzugt an». Selbstbewusstsein sei darum ein wirksamer Schutz vor sexuellen Übergriffen.
Wie reagieren, wenn wirklich etwas passiert?
Wie bereits erwähnt, konnten die beiden Kinder im Luzerner Stadtteil Littau dem mutmasslichen Täter entfliehen. Auch sonst haben sie richtig reagiert und den Vorfall einer Vertrauensperson gemeldet. Vertraut sich ein Kind einem Elternteil oder einer Lehrperson an, ist deren Reaktion sehr wichtig: «Glauben Sie dem Kind und hören Sie aufmerksam zu. Loben Sie es, weil es sich Ihnen anvertraut hat. Schimpfen Sie nicht mit dem Kind, wenn es etwas falsch gemacht hat», rät Yanik Probst von der Luzerner Polizei. Ist ein Übergriff gerade erst passiert, sollte die Vertrauensperson über die Notrufnummer 117 sofort mit der Polizei Kontakt aufnehmen.
Weiterlesen:
- Der Schultag beginnt auf dem Schulweg
- Broschüre: «Ihr Kind, alleine unterwegs – So schützen Sie es trotzdem!»
- Luzerner Polizei: Informationen rund um Prävention
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