Text & Bilder: Vera Bergen
In der Schweiz verschwinden alte Handwerksberufe zunehmend. Umso bemerkenswerter ist der Weg von Hannes Scheuber: Mit 50 Jahren wechselte er vom Projektleiter beim Bildungs- und Kulturdepartement in ein fast ausgestorbenes Metier – und übernimmt eine traditionsreiche Schuhmacherei.
In Kürze:
- Der Beruf des Schuhmachers ist in der Schweiz vom Aussterben bedroht – im letzten Jahr machte niemand mehr eine Schuhmacher-Lehre EFZ.
- Hannes Scheuber wechselte vom Projektleiter in der Verwaltung zum Schuhmacher-Beruf und übernahm das Schuhmacher-Geschäft von Domenico Pileggi.
- Statt einer klassischen Lehre lernt Scheuber direkt in der Werkstatt vom erfahrenen Schuhmacher Domenico Pileggi.
Wer kennt heute noch Berufe wie Küfer, Sattlerin oder Korbmacher? In unserer Konsum-Gesellschaft sind bereits viele dieser traditionellen Berufe verschwunden oder werden nur noch von einigen wenigen ausgeübt. Auch dem Schuhmacher-Beruf droht dieses Schicksal.
Vom Aussterben bedroht
Zurzeit gibt es noch eine offizielle Ausbildung zum Schuhmacher oder Schuhmacherin EFZ. Sie dauert drei Jahre, mit Unterricht in Zofingen und Praxis im jeweiligen Betrieb. In den letzten Jahren haben laut offiziellen Zahlen des Branchenverbands «Fuss und Schuh», die Vereinigung der Schuhmacherinnen und Schuhmacher, jedoch nur maximal drei Personen in der ganzen Schweiz diese Lehre abgeschlossen. Im vergangenen Jahr sogar niemand mehr. Gründe dafür gibt es viele: der Sneaker-Trend, die Wegwerfgesellschaft oder die moderne Schnelllebigkeit haben sicher Einfluss auf das langsame Aussterben des Schuhmacher-Berufs.
Ein Gegenentwurf zur Wegwerfgesellschaft
Hannes Scheuber setzt ein Zeichen gegen diesen Trend. Der 50-Jährige arbeitete bis Ende Februar 2025 als Projektleiter beim Bildungs- und Kulturdepartement des Kantons Luzern – dann hat er ein neues Kapitel aufgeschlagen und die Schuhmacherei von Domenico Pileggi in Luzern übernommen. Seit März dominieren nun statt Sitzungstisch und Computer, Lederschuhe und Handarbeit seinen Alltag. «In den letzten 25 Jahren habe ich vor allem kopflastig gearbeitet. Der Wunsch, auch mit den Händen zu arbeiten, ist mit der Zeit immer grösser geworden», erklärt Hannes Scheuber seinen mutigen Schritt. «Ich wollte am Abend sehen können, was ich tagsüber gemacht habe.»

Handwerk mit Substanz
Schon Monate vor seiner Kündigung hat er jeweils einen Tag pro Woche in der Schuhmacher-Werkstatt verbracht, um sich mit Materialien, Werkzeugen und Abläufen vertraut zu machen. «Ich habe mich wirklich auf diese Veränderung gefreut», sagt er. Zweifel? Fehlanzeige. «Das Schöne an diesem Beruf ist die Herstellung und Reparatur von hochwertigen, langlebigen Produkten. Man macht Kunden mit frisch besohlten Lieblingsschuhen glücklich – das ist sinnstiftende Arbeit.» Und doch ist ihm bewusst, dass der Weg nicht einfach wird. «Die grösste Herausforderung für mich ist, Geduld mit mir selbst zu haben, während ich die Fertigkeiten Schritt für Schritt lerne.»
Bewahrung eines alten Handwerks
Hannes Scheuber lernt das Handwerk jedoch nicht über eine klassische Schuhmacher-Lehre EFZ. «Ich lerne alles direkt im Betrieb – vom Verkauf bis zur komplexen Reparatur. Mein Lehrmeister ist der bisherige Inhaber Domenico Pileggi, ein sehr erfahrener Schuhmacher.» Für Hannes Scheuber steht das praktische Lernen im Vordergrund – und der Erhalt eines kleinen, spezialisierten Betriebs.
Auch wenn Hannes Scheuber seinen Weg ausserhalb der offiziellen Berufsausbildung geht, zeigt seine Geschichte, dass das Interesse am Schuhmacherhandwerk dennoch nicht verschwunden ist.
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