Text: Vera Bergen
Bilder: Website Verein Städtepartnerschaft Chicago Luzern
Eigentlich sind es dieses Jahr schon 21 Jahre. Aber die Pandemie machte auch vor Jubiläen keinen Halt. Deswegen wird nun das 20 Jahr Jubiläum des Wohnateliers für Luzerner Kulturschaffende in Chicago nachgeholt. Diese Aufenthalte sind nicht nur für die Kulturschaffenden bereichernd. Sie sind auch ein schönes Beispiel für die erfolgreiche kulturelle Zusammenarbeit zwischen Stadt Luzern und Kanton Luzern und heute fester Bestandteil der Kulturförderungsstrategie des Kantons.
Zuerst war nur von fünf Jahren die Rede: Solange sollte das Atelier für Luzerner Kulturschaffende in Chicago sichergestellt werden. So stand es im Konzept, das der Verein Städtepartnerschaft Luzern-Chicago im August 2000 vorstellte. Aus diesen fünf Jahren wurden mittlerweile mehr als 20 Jahre.
Dies hat auch damit zu tun, dass der Verein Städtepartnerschaft Luzern-Chicago, die Stadt Luzern als Schwesterstadt von Chicago und der Kanton Luzern, das Atelier im Chicagoer Quartier Wickerpark gemeinsam planten und damit ermöglichten. Seither ist das Wohnatelier für Kunstschaffende eine feste Grösse in der Kulturförderungsstrategie des Kantons. «Die Atelieraufenthalte bieten den Kulturschaffenden die Möglichkeit konzentriert und inspiriert zu arbeiten und in einem neuen Umfeld Projekte zu realisieren», sagt Stefan Sägesser, Kulturbeauftragter des Kantons Luzern anlässlich des Jubiläums. «Sie müssen raus aus der Luzerner Komfortzone und rein in das grosse Unbekannte. Und diese Erfahrung ist nicht gratis, sie muss erarbeitet und entdeckt werden», so Stefan Sägesser weiter.
Obwohl der Aufbruch ins Unbekannte auch schwierig sein kann, wollten bislang über 500 Bewerberinnen und Bewerber für ein halbes Jahr in Chicago leben und wirken. 65 davon haben die Chance erhalten. Dies hat nicht nur die Kulturschaffenden selbst geprägt, sondern sie haben auch neues Kulturgut zurück nach Luzern gebracht. Nicht zuletzt zeigt die Geschichte des Ateliers in Chicago auch politisch und gesellschaftlich eindrücklich auf, wie sich die Welt in diesen Jahren verändert hat.
Eindrückliche Anfänge
Die ersten Luzerner Kulturschaffenden, die im September 2001 nach Chicago gingen, hatten 11 «ruhige» Tage. Danach veränderte sich nicht nur für Catherine Huth und Pia M.I. Frey alles. Im Buch zur Geschichte des Wohnateliers, das anlässlich des Jubiläums veröffentlicht wurde, schreiben die beiden: «Kaum waren wir angekommen, flog die Welt in die Luft, so zumindest nahm man es damals wahr». Das was wir heute als 9/11 kennen, prägte ihren Aufenthalt sehr. Die beiden bildenden Künstlerinnen waren zum Warten gezwungen und zeigten dies auch in ihrer Arbeit, die sie zurück in die Schweiz brachten: gefilmte Wartesituationen in Chicago. «Was sich in Zeiten von Live-Streaming und Datentransfer unspektakulär anhört, war vor 20 Jahren mit umständlicher VHS-Technik eine abenteuerliche Herausforderung, zumal wir während der damals herrschenden nationalen Paranoia nur noch versteckt filmen konnten».
Es hört nie mehr auf
Neben 9/11 war auch der Ausbruch des Irakkriegs ein prägender Moment. Da die Berichterstattung dazu und die Diskussionen im Alltag so allgegenwärtig waren, passte Marianne Halter, die im Frühling 2003 im Wohnatelier weilte, ihre Arbeiten sogar daran an. Kommt dazu, dass viele andere Themen, die Marianne Halter noch heute interessieren, ihre Initialzündung in Chicago hatten. So auch ihr Interesse für Stadtentwicklung und leerstehende Häuser mit verbarrikadierten Fenstern und Türen.
Neben Marianne Halter sind auch viele weitere der insgesamt 65 Stipendiaten und Stipendiatinnen bis heute geprägt von ihrem Aufenthalt: Susanne Hofer hat in Chicago eine neue Arbeitsweise entdeckt, die sie heute – 20 Jahre nach ihrem Aufenthalt – immer noch praktiziert. Sie fuhr während ihres Chicago-Aufenthalts oft mit Velo, Stativ und Kamera durch die Stadt. «Ich habe möglichst ungefiltert Foto- und Videomaterial aufgenommen, das ich danach zu Videos und Installationen zusammenfügte», schreibt sie im Jubiläumsbuch. Neben Arbeitsweisen entstanden natürlich auch Freundschaften. Der Musiker Christoph Erb steht heute noch im regen Austausch mit Musikern und Musikerinnen aus Chicago, «diverse Tourneen, Tonträger-Veröffentlichungen sowie unser «A race in Space Festival» in Luzern […] zeugen von den lebendigen Kontakten nach Chicago», schreibt er im Buch und fügt an, dass der Atelieraufenthalt sein Musikerleben entscheidend geprägt habe.
Ein halbes Jahr und für immer
Bei fast allen Stipendiatinnen und Stipendiaten dauerte der Aufenthalt in Chicago ein halbes Jahr. Gewisse verlängerten auf eigene Kosten und eigene Faust um ein paar Wochen, um noch mehr von der prägenden Stimmung der Stadt mitnehmen zu können. Aber wohl niemand lebt den Austausch heute noch so sehr, wie Claudia Bucher, die über den Jahreswechsel 2005 und 2006 in Chicago weilte. «Mit dem Fotografen und Künstler Rob Nienburg aus Chicago und unseren zwei Kindern Frederick und Helena lebe ich das «Chicago-Austauschprojekt» jeden Tag», schreibt sie im Jubiläums-Buch. Claudia Bucher lernte ihren späteren Mann während einer Performance in Chicago kennen. Er begleitete ihr künstlerisches Schaffen mit der Kamera und das hat sich bis heute nicht geändert.
Es zeigt sich, ein Aufenthalt im Wohnatelier für Kulturschaffende in Chicago ist nicht nur ein Austausch. Es ist ein Eintauchen in die Geschichte der Stadt, des Landes, der Welt und oftmals ein Weg zu sich selbst.
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