Seit 16. März 2020 sind die Schulen der Schweiz wegen der Coronakrise geschlossen. Der Unterricht hingegen geht auf digitalen Wegen und mit digitalen Mitteln weiter. So auch für die rund 150 Gymnasiastinnen und Gymnasiasten der Kantonsschule Schüpfheim/Gymnasium Plus. Über den Ablauf des Fernunterrichts und indivduelle Erkenntnisse in ungewöhnlichen Zeiten berichten die Rektorin, eine Lehrerin, ein Maturand der Abschlussklasse sowie eine Schülerin und ein Schüler aus der Vormaturaklasse. Die Coronakrise zeigt auch gute Seiten.
Text und Bild: Inger Muggli-Stokholm, Rektorin
Seit Montag, 16. März 2020, ist unser Schulhaus für die Schülerinnen und Schüler geschlossen. Am Wochenende kamen sie noch hierher, um ihre Schulbücher zu holen. Ich hatte ihnen mitgeteilt, dass sie sich auf Fernunterricht einstellen und während ihrer normalen Unterrichtszeit per Mail und Telefon erreichbar sein müssen. Auch die Lehrerinnen und Lehrer und das Verwaltungspersonal wurden informiert.
Zum Glück haben wir an der Kantonsschule Schüpfheim/Gymnasium Plus schon einige Jahre Erfahrung mit BYOD (Bring your own device): Alle Schülerinnen und Schüler haben ab der ersten Klasse ihren eigenen Computer und arbeiten damit. Somit schlagen wir uns in diesen ersten Tagen vor allem mit technischen Problemen herum.
Am Montag waren die Klassen und ihre Lehrerinnen und Lehrer parat für den Unterricht. Die Lehrpersonen trafen sich noch einmal im Schulhaus zu einer letzten Instruktion. Beinahe alle waren nochmals gekommen. Gemeinsam verfolgten wir die Pressekonferenz des Bundesrates und waren betroffen vom Ernst der Lage.
HomeOffice verlangt bewusstes Absprechen
Homeoffice heisst für uns alle, wir müssen uns auf allen Ebenen überlegt und bewusst absprechen. Audiokonferenzen empfinde ich als anstrengender als das Gespräch in der Runde mit den Menschen vor mir. Sei es in der Konferenz der Rektorinnen und Rektoren, sei es in der Schulleitung, die Lehrpersonen untereinander oder auf der Ebene der Schülerschaft, wir alle müssen koordinieren und miteinander im Kontakt bleiben.
Erfahrung mit BYOD zahlt sich aus
Ein Vorteil sehen wir im Kollegium bereits in der Anfangsphase der neuen Situation: Noch mehr Kreativität und Ideen sind bei der Lektionsplanung gefragt. Bei der Profilarbeit unserer Schule haben wir uns im vergehenden Jahr in SCHILWs (Schulinterne Weiterbildung) und Qualitäts-Gruppen mit neuen Formen der Leistungsbeurteilung auseinandergesetzt. Anfangs dieser Woche stellten viele Lehrerinnen und Lehrer fest: Jetzt findet die beste SCHILW statt, indem wir alles umsetzen müssen, womit wir uns in der Theorie beschäftigt haben.
Leeres Schulhaus - Unterricht läuft trotzdem
Es ist für mich ein spezielles Gefühl: Seit Dienstag ist die Schule fast leer. Und gleichzeitig weiss ich, der Unterricht findet statt. Wie läuft das für alle? Es geht in diesen Tagen darum, das richtige Mass zu finden: Wie gross sind die Aufträge, verstehen die Schülerinnen und Schüler, was ich schreibe und was ich meine? Wie kann zum Beispiel die Sportlehrerin, der Sportlehrer, die Instrumentallehrerin, oder der Mathelehrer die Einheiten gestalten?
Theater, Sport und Chemie im Fernunterricht
Wir wollen nicht, dass die jungen Menschen stundenlang ohne Pause vor dem Bildschirm sitzen. So führen sie zum Beispiel im Sport ein Aktivitäten-Tagebuch, das sie Ende Woche einscannen und an uns senden. Im Theater steht Parzival von Lukas Bärfuss auf dem Programm. Das Stück soll über Audiokonferenzen bearbeitet und entworfen werden, damit es danach in individuellen Videosequenzen aufgenommen werden kann.
Ein Schüler erzählt begeistert vom Chemielehrer, der seinen Unterricht per Videoübertragung aus seinem zu Hause sendet: Dabei ist er offenbar sehr anschaulich, sogar Spaghetti kommen vor. Das sind einige Beispiele von vielen sehr gelungenen Lektionen im Fernunterricht.
Text und Bild: Luca Blum, Maturand der Klasse 5P
Am Freitag, 13. März 2020, war es klar. Der Präsenzunterricht ist ab sofort gestrichen. Aha. Der Coronavirus hat sich im Alltag aller Menschen bemerkbar gemacht. Meine Sicht auf das Ganze ist die eines Kantonsschülers im Matura-Jahrgang.
Die für mich markanteste Änderung in meinem täglichen Leben besteht darin, dass ich den Schulstoff, den ich von den Lehrpersonen jetzt schon, wenige Tage nach Abbruch des Präsenzunterrichts, zuverlässig über verschiedene digitale Kanäle zugestellt bekomme, selbstständig zuhause durcharbeite.
Damit der mehr oder weniger direkte Kontakt nicht komplett abbricht, halten wir online Unterrichts-Teamsitzungen ab. Auch hat meine Klasse sich selbstständig schon Möglichkeiten wie beispielsweise einen Voice-Chat organisiert, in denen wir uns gegenseitig Stoff erklären und ein Minimum an Kontakt pflegen können.
«Am meisten vermisse ich den analogen,
persönlichen Kontakt mit meinen Freunden.»
Luca Blum, Maturaklasse
Und trotzdem ist das, was ich am meisten vermisse an der Schule, so wie sie bis letzten Freitag noch zuverlässig stattgefunden hat, definitiv der analoge, persönliche Kontakt mit meinen Freunden.
Und genau dieser Kontakt ist einer der Hauptgründe für mich, mein Bestes zu geben, den Vorlagen des Bundes zum Abflachen der Ansteckungskurve zu folgen, den Virus so schnell wie möglich vorüberziehen zu lassen, damit alle schon möglichst bald wieder legal miteinander verkehren können, ganz analog, mit einem Chai Latte in einem Café, die zwei Meter Abstand eine Erinnerung an den Anfang der neuen Dekade.
Text und Bild: Mira Wyser, Vormaturandin, Klasse 4P
Wir arbeiten im Moment oft mit dem Kollaborationstool Microsoft Teams. Da ich dieses Programm bereits kannte und wir in der Schule auch oft mit dem Laptop arbeiten, habe ich mich schnell an die neue Situation gewöhnt.
Anfangs Stunde startet der Lehrer eine Diskussion auf Microsoft Teams und dann kann die Stunde so wie immer durchgeführt werden. Der einzige Unterschied ist es, dass man die Anderen nicht mehr sieht, da alle die Kameras abgedeckt haben. In Sport ist es so, dass wir ein Bewegungstagebuch führen müssen. Dazu gibt es ein paar Ziele, die wir erfüllen müssen. Ein Ziel ist es zum Beispiel mindestens 90 Minuten Sport pro Woche zu machen.
Ich finde den Unterricht so sogar besser, als wenn man jeden Tag in die Schule muss. Weil meine ÖV-Verbindungen und die Unterrichtszeiten nicht gut zusammenpassen, habe ich einen ziemlich langen Schulweg, dieser fällt nun komplett weg.
«Man gewöhnt sich schnell an den Fernunterricht. Es ist nur schade, dass wir diese Art des Unterrichtens wegen dem Coronavirus kennengelernt haben»
Mira Wyser, Vormaturaklasse 4P
Schule zu Hause - mehr individuelle Zeit
Im Moment stehe ich eine halbe Stunde vor Unterrichtsbeginn auf, frühstücke und setze mich mit meinen Büchern vor den Laptop. Da ich das Gymnasium Plus absolviere, habe ich am Nachmittag frei, um mich intensiv mit Theater und Schauspiel auseinaderzusetzen. Leider fällt diese Talentförderung bei mir zurzeit weg, denn eigentlich hätte ich dann Theaterproben. Jedoch wurden diese aufgrund des Coronavirus abgesagt. Ausserdem wurden viele Prüfungen sistiert. Das ist im Moment ein positiver Effekt, da ich so mehr Zeit habe, um Dinge zu tun, die ich schon lange machen wollte. Etwa wieder einmal mit meiner Familie selber Gnocchi zu machen und Sport zu treiben.
Fernunterricht: gefragt sind Selbstdisziplin und Selbstverantwortung
Der Unterricht bereitet mir keine Schwierigkeiten, man muss aber ziemlich viel Disziplin haben und darf sich nicht ablenken lassen. Die Versuchung ist gross, während des Unterrichts kurz mit seinen Freunden zu chatten oder die News zu checken. Etwas, das für mich schwierig ist, ist die aktuelle Situation in Bergamo, da ich viele Verwandte habe, die dort leben. Wir telefonieren oft mit ihnen, so ist das Virus allgegenwärtig.
Coronavirus verändert die Wahrnehmung
Also meiner Meinung nach gewöhnt man sich schnell an diese Art von Unterricht. Dann merkt man, dass sich diese Art von Unterricht kaum vom herkömmlichen Unterricht unterscheidet. Aber es ist schade, dass wir diese Art von Unterricht wegen des Coronavirus kennengelernt haben. Denn dieser Virus liegt wie ein Schatten über allem, was man tut. Selbst beim Fernsehen: sieht man im Fernsehen zwei Menschen, die sich zur Begrüssung umarmen, denkt man sofort, dass würde im Moment niemand machen.
Text und Bild: Marianne Wild, Lehrperson für Latein und Französisch
Fernunterricht, denke ich und starre auf den dunklen Bildschirm meines Computers, der mir wie eine Wand die Sicht auf die Welt zu verbarrikadieren scheint. Fernunterricht, wo mir doch die Nähe der Schülerinnen und Schüler am Herzen liegt und ich mich stets freue über Händedruck und Augenkontakt und über die ganze jugendliche Lebhaftigkeit.
Und doch: immerhin Fernunterricht, denke ich und schalte den Computer ein. Ob wohl «Teams» die Nähe, die das Wort suggeriert, auch wirklich schafft? Überzeugt vom Wert der mündlichen Auseinandersetzung mit einem geschriebenen Text, hoffe ich immer wieder, wenn auch zuweilen vergeblich, auf die natürliche Entstehung eines Teams im Hic et Nunc.
Und nun rufe ich also, virtuell und nur dem Wort nach, ein Team nach dem andern ins Leben, Teams, die sich ja alle erst allmählich bilden müssen, da die Jugendlichen die Einladung vielleicht jetzt am Wochenende gar nicht zur Kenntnis nehmen? Doch Schwierigkeiten sind da, um überwunden zu werden – wer wüsste dies besser als jemand, der Latein unterrichtet –, und dank beruflich erworbener Hartnäckigkeit und Frustrationstoleranz verfüge ich am Ende des Tages über fast jede Bestätigung.
Doch nicht nur dies: Zwei Schülerinnen zwei verschiedener Teams waren sogar zu einer Probebesprechung bereit, eine weitere Schülerin hat auch die anderen in ihrer Gruppe informiert. Es ist Sonntagabend, und eine halbe Stunde lang sprechen wir zusammen und räumen gemeinsam die technischen Schwierigkeiten aus dem Weg. Ja, in diesem Moment sind wir ein Team – und uns so nahe wie vorher vielleicht noch nie.
Maisam Hassani, Vormaturand, Klasse 4P
Heute, Montag, 23. März 2020, beginnt die zweite Woche in der Quarantäne, d. h. HOME-OFFICE für eine weitere Woche. Die Schule findet wie gewohnt statt, jedoch mit dem Unterschied, dass sie zu Hause vor dem Bildschirm passiert.
Das Home-Office hat für mich persönlich sowohl gute als auch schlechte Aspekte: Ich empfinde die Ruhe, die ich zu Hause vor dem Bildschirm habe, als sehr entspannend und weniger stressig. Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch für einige meiner Mitschüler zutrifft – vor allem für die Pendler. Auch habe ich nun mehr Zeit zur Verfügung, d. h. ich habe mehr Zeit für mich selbst.
Weniger Hausaufgaben erhöhen die Lernbegeisterung
So kann ich zum Beispiel ohne grossen Stress ein Buch lesen, das seit Monaten auf meinem Tisch rumsteht, weil ich bisher einfach keine Zeit dafür finden konnte. Natürlich haben wir weiterhin, wie gewohnt, Hausaufgaben, aber im machbaren Mass. Dadurch, dass ich weniger Hausaufgaben habe, kann ich mit mehr Begeisterung ran an die Sache.
«Ich werde mich von so einem Virus nicht aufhalten lassen»
Maisam Hassani, Vormaturaklasse 4P
Ich habe zwar nicht ganz immer die Motivation, mich strikt an meine Planung zu halten, aber ich denke, dass das zu mehr Selbstständigkeit führt, da ich anfange, Verantwortung für mein Lernen zu übernehmen. Denn trotz des Ausnahmezustandes ist es mir ein Anliegen, dass ich weiter Fortschritte mache und Neues lerne. Ich werde mich nicht von so einem Virus aufhalten lassen.
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Jöhl (Freitag, 27 März 2020 18:00)
Liebe Schreiber/innen
Vielen Dank für eure Beiträge - habe sie mit Genuss und Spannung gelesen.
Bleibt frisch
Euer
Jöhl