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Ateliers für Hochbegabte: Mehr Futter für den Kopf

Text: Andrea Renggli &  Vera Bergen / Titelbild: Jambulboy alias Nugroho dwi Hartawan auf Pixabay

In der Volksschule werden alle Kinder individuell gefördert und unterstützt. Im Kanton Luzern gibt es für hoch- und höchstbegabte Kinder neben den schulinternen Angeboten ein ganzjähriges Förderprogramm in Form von Ateliers. Diese fordern die Kinder mit einem IQ von 130 und mehr heraus, zeigen ihnen aber auch Grenzen auf - wie beispielsweise das Atelier für Chinesisch.

Wer Chinesisch lernt, trainiert sein Hirn, sagt eine Studie des «Journal of Neuroscience». (Symbolbild: Teddy Yang auf Pexels).
Wer Chinesisch lernt, trainiert sein Hirn, sagt eine Studie des «Journal of Neuroscience». (Symbolbild: Teddy Yang auf Pexels).

In Luzern ist man es gewohnt, vor dem Bucherer und dem Löwendenkmal Chinesisch zu hören. Aber an Primarschulen in Sursee und in Luzern ist es doch eher aussergewöhnlich. Denn bei diesem Chinesisch-Unterricht handelt es sich nicht um eine normale Schulstunde, sondern um ein Angebot der Ateliers für Hochbegabte der Volksschule Luzern für Primarschulkinder von der 3. bis zur 6. Klasse.  Das Chinesisch-Atelier ist eines von insgesamt 15 Ateliers, deren Angebote von «Programmieren mit Python», über «Erforschen und Erfinden mit erneuerbaren Energien» bis zu «Robotik» gehen. 

 

Das Angebot der Ateliers geht über den regulären Unterrichtsinhalt hinaus und kommt zum Zug, wenn auch die schulinterne Begabtenförderung bei den hoch- und höchstbegabten Kindern noch Kapazität für weitere Leistungen freilässt. Normalerweise finden die Ateliers für die Kinder mit einem IQ von 130 und mehr während der regulären Schulzeit statt.  Einige Kinder des Chinesisch-Ateliers von Qingjun Meng sind aber ausserordentlicherweise an einem Samstag-Morgen Anfang Mai mit dem Zug von Luzern nach Olten unterwegs.  Um ihren Kopf noch etwas mehr herauszufordern, nehmen sie am internationalen Wettbewerb für die chinesische Sprache der Botschaft der Volksrepublik China teil.


Wie fördert der Kanton Luzern Hochbegabte?

  • Die Volksschule fördert im Rahmen des ordentlichen Unterrichts alle Lernenden. Dies gilt auch für Lernende mit einer hohen Begabung (§ 8 Volksschulbildungsgesetz des Kantons Luzern).
  • Zur Förderung hoch- und höchstbegabter Kinder gibt es unterschiedliche innerschulische Massnahmen. 
    • Acceleration: Beschleunigung der Schullaufbahn durch Überspringen einer oder mehrerer Klassen.
    • Teilacceleration: Besuch einzelner Fächer in höheren Klassen.                                                     
    • Enrichment: Anreichern des Unterrichtes durch zusätzliche Fördermassnahmen über den normalen Schulstoff hinaus
  • Welche Massnahme für welches Kind geeignet ist, hängt neben der Intelligenz auch von Persönlichkeit und Umwelt ab.
  • Es gibt Schulen, welche die spezifischen Bedürfnisse von Hochbegabten nicht abdecken können oder die Kinder brauchen - trotz innerschulischer Massnahmen – weitere Förderung. Für solche sind die Ateliers für Hochbegabte angedacht. 

«Chinese Bridge»: Keinen Preis, aber Spass

Wer an der «Chinese Bridge» teilnehmen will, darf maximal 14 Jahre alt sein, keine chinesische Staatsbürgerschaft besitzen und kein Elternteil chinesischer Herkunft haben. Die Kinder des Ateliers von Qingjun Meng erfüllen alle diese Bedingungen, denn sie lernen «erst» seit einem oder zwei Jahren einmal wöchentlich Chinesisch – eine der meistgesprochenen Sprachen der Welt.

Bei der Anmeldung wird mit deutscher Übersetzung noch geholfen.... (Quelle: Schweizer Botschaft  der Volksrepublik China).
Bei der Anmeldung wird mit deutscher Übersetzung noch geholfen.... (Quelle: Schweizer Botschaft der Volksrepublik China).
...Am Wettbewerb «Chinese Bridge» gilt nur noch Chinesisch. Eine Herausforderung für die Atelierkinder. (Quelle: Schweizer Botschaft der Volksrepublik China).
...Am Wettbewerb «Chinese Bridge» gilt nur noch Chinesisch. Eine Herausforderung für die Atelierkinder. (Quelle: Schweizer Botschaft der Volksrepublik China).

Von den Luzerner Kindern darf Sofia an diesem Morgen als erste antreten. In 1-2 Minuten stellt sie sich vor, zeigt dann während 3-5 Minuten ihr Können im Chinesisch und präsentiert zum Schluss noch während ebenfalls 3-5 Minuten ein Talent. Sofia spielt Gitarre und singt dazu ein chinesisches Lied. Nach dem Auftritt atmet sie auf und strahlt.

Nach dem Wettbewerb sind die Atelierkinder aus dem Kanton Luzern erleichtert, auch wenn sie keinen Preis gewonnen haben. (Quelle: Christina Kister)
Nach dem Wettbewerb sind die Atelierkinder aus dem Kanton Luzern erleichtert, auch wenn sie keinen Preis gewonnen haben. (Quelle: Christina Kister)

Einen Preis für die Atelierkinder gibt es am Schluss nicht. Sie hatten keine Chance gegen Kinder, welche schon mal in Hongkong gelebt haben oder gar in China zur Welt gekommen sind. Trotzdem hat sich die Erfahrung gelohnt und die Teilnahme am Wettbewerb hat den Luzerner Kindern gefallen. Ziemlich sicher ist dieser Wettbewerb sogar der inoffizielle Höhepunkt ihres Atelier-Jahres, das nur gut zwei Wochen kürzer ist als ein normales Schuljahr.

Herausforderung und Grenzen

In den Ateliers treffen Gleichgesinnte aufeinander. Die Herausforderung ist gross und manchmal stossen die Kinder erstmals auch auf Grenzen. (Quelle KoolShooters/Pexels).
In den Ateliers treffen Gleichgesinnte aufeinander. Die Herausforderung ist gross und manchmal stossen die Kinder erstmals auch auf Grenzen. (Quelle KoolShooters/Pexels).

Für den Besuch eines solchen Ateliers leisten die hochbegabten Kinder einen Sondereinsatz. Einige Kinder reisen dafür selbstständig mit dem Zug zum Unterrichtsort – oft ist es für sie das erste Mal, dass sie alleine unterwegs sind. Den regulären Schulstoff, den die Kinder während der Teilnahme am Atelier verpassen, müssen sie selbstständig aufarbeiten. Sofia, die beim Chinesisch-Wettbewerb als erste antrat, kann das verpasste Mathematik-Arbeitsblatt beispielsweise während des Deutschunterrichts nachholen. Die Doppelbelastung ist keine grosse Herausforderung für sie und ihre hochbegabten Kollegen und Kolleginnen. Darum schätzen sie das Angebot der Ateliers, die es im Kanton Luzern seit vier Jahren gibt, umso besser. Denn dort werden die Hoch- und Höchstbegabten herausgefordert. Der Unterricht geht von komplexen Problemstellungen aus, das Tempo ist hoch, die Fragestellungen schwierig. «Von den Ateliers-Lehrpersonen wissen wir, dass es Tage gibt, wo die Köpfe der Teilnehmenden nach dem Unterricht regelrecht rauchen», sagt Andrea Renggli, die bei der Luzerner Dienststelle Volksschulbildung für die Ateliers zuständig ist. «Es kann sogar passieren, dass ein Kind im Atelier zum ersten Mal seine Grenzen kennenlernt.»


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Wer hat wann Anspruch auf den Besuch eines Ateliers für Hochbegabte?
Konzept Ateliers für Hochbegabte DVS LU.
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