Interview: Sandra Kilchmann
Bilder: DBW
Die Mehrheit der Lernenden an den Luzerner Berufsfachschulen fanden sich im 10 Wochen dauernden Fernunterricht vom vergangenen Frühling gut zurecht. Dies zeigte die entsprechende Umfrage des BKD an Luzerner Schulen. Hilfreich waren aber dennoch die Lernateliers für rund 300 Lernende, die Unterstützung brauchten, um den schulischen Anschluss nicht zu verlieren, sagt Projektleiter Adrian Wirz im Interview. Und kündigt an: Das Angebot wird weitergeführt.
Die Lernenden an den Luzerner Berufsfachschulen kamen mehrheitlich gut klar mit den Anforderungen des Fernunterrichts im Frühling - dies ergab die breit angelegte Umfrage des BKD. Einige Lernende hatten jedoch Mühe, sich nach Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts im Schulalltag zurecht zu finden und zeigten Lerndefizite, die durch den Fernunterricht noch verstärkt wurden. Ursache waren unter anderem Leistungsabbau aufgrund Motivationsproblemen, Lernschwierigkeiten oder eine Lernumgebung, die nicht ideal oder gar hinderlich für die schulischen Arbeiten waren. Adrian Wirz, Berufsfachschullehrer am BBZ Bau und Gewerbe in Luzern, leitete das Projekt mit dem Projekttitel «Lernatelier: Starthilfe nach Covid-19» und beantwortet im Interview Fragen zu den Lernateliers.
Überfachliche und ICT-Kompetenzen vermittelt
Wie entstand die Idee für die Lernateliers?
Adrian Wirz: Einige unserer Lernenden hatten Mühe während dem Fernunterricht. Das wurde von vielen Lehrpersonen beobachtet, aber auch konkret von den Lernenden zurückgemeldet. Dass diese Zeitspanne von März bis Sommer Lücken hinterliess und dadurch einen Nachteil zur Folge hatte, war für viele klar und sollte korrigiert werden. Auch gingen wir davon aus, dass die Fernunterrichtszeit das psychische Wohlbefinden der Lernenden beeinträchtigt. Diese Evidenz wird nun immer klarer. Um sicher zu stellen, dass die Lehre erfolgreich weitergeführt werden kann, brauchte es darum ein entsprechendes Angebot.
Welche Fächer und Inhalte wurden im Lernatelier unterrichtet?
Im Lernatelier wurden überfachliche und ICT-Kompetenzen vermittelt und diese in einem Praxistransfer in die entsprechenden Lebenswelten im Beruf adaptiert. Diese Auswahl basiert auf der Annahme, dass der Leistungsabbau nicht direkt mit den Lerninhalten zu tun hat. Oft lag es an der Motivation, am Ziele-Setzen, an strukturellen Problemen wie Lerntechniken und Ablagestruktur. Oder die Lernumgebung war nicht optimal bezüglich Arbeitsplatzergonomie, Arbeitsplatzgestaltung, Gesundheitsförderung. Bestimmt hat die Fernunterrichtszeit einen wesentlichen Einfluss auf das psychische Wohlbefinden und das Selbstbewusstsein gehabt. Mit Strukturwissen, Ordnung Schaffen, aber auch individueller Betreuung - zum Beispiel Problemlösung dank zielorientierter Gesprächsführung - wurden die Lernenden im Lernatelier unterstützt. Der zweite Teil war eine individuelle Betreuung. Dabei konnten Schwerpunkte und Ziele gesetzt werden. Durch diese Inhalte war es möglich, sehr heterogene Atelierklassen erfolgreich zu unterrichten.
An wen richtete sich das Angebot und wer nahm an den Ateliers teil?
Das Angebot war für alle Lernenden der Berufsfachschulen des Kantons Luzern offen. Die 22 Atelierklassen mit den rund 300 Lernenden sind sehr heterogen: EBA- und EFZ-Lernende, aus den meisten Berufen, alle Lehrjahre. Es gab keine typischen Lernatelier-Lernende.
Wichtig: psychisches Wohlbefinden
Wurde primär der Schulstoff nachgeholt?
Auch, aber nur indirekt. Bei den meisten Lernenden, welche einen Leistungsabfall haben, sind die Ursachen in den überfachlichen Kompetenzen zu finden. Den Transfer zum eigenen Beruf wurde dann von den Lernenden gemacht und somit auch Schulstoff nachgeholt. Den Lernenden sollte mit konkreten Inhalten des Lernateliers, aber auch mit verstärkter individueller Betreuung geholfen werden, wieder auf den Leistungsstand wie vor dem Fernunterricht zu gelangen. Ich ging zudem von der Annahme aus, dass das psychische Wohlbefinden die Hauptursache für den Leistungsabbau ist.
Hat sich diese Annahme bestätigt?
Ja, ich glaube sogar, dass dies der wichtigste Faktor des Lernateliers ist. Dass die Coronazeit für die Jugendlichen besonders schwierig ist, konnte man mehrfach in den Zeitungen lesen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Lernateliers hatten mehrheitlich das Bedürfnis, insbesondere individuell betreut zu werden. Die Dankbarkeit der Lernenden war gross. Und vor allem dort, wo sich die Lernenden auch emotional auf dieses Angebot eingelassen haben, war der Erfolg gut sichtbar. Die Beziehung zu den Lernenden ist dabei der Schlüssel zum Erfolg.
Ateliers als Förderangebot beibehalten
Wird das Angebot Lernatelier weitergeführt?
Diese Woche findet der letzte Lernatelier-Abend statt. Da von vielen Lernenden der Wunsch geäussert wurde, dass sie gerne weiterhin die Lernateliers besuchen, hat die Dienststelle Berufs- und Weiterbildung entschieden, bis zum Sommer ein kleines Angebot von vier bis fünf Klassen weiterzuführen. Die gemachten Erfahrungen und das Bedürfnis werden nun ausgewertet und sollen in ein anderes Förderangebot - einen «Basis Stützkurs» - fliessen. Eine Projektgruppe wird dies bis zum Schuljahrstart 21/22 umsetzen.
Wäre das Projekt auch durchgeführt worden, wenn der Bund es nicht mitfinanziert hätte?
Selbstverständlich sind wir dankbar für diese finanzielle Hilfe vom Bund. Sie weist uns eine Anerkennung des Projekts aus. Die Dienststelle Berufs- und Weiterbildung hätte dieses Projekt aber auch ohne diese Unterstützung durchgeführt, da sich der Bedarf nach einer solchen zusätzlichen Lernhilfe für einige Jugendliche nach dem Fernunterricht klar aufzeigte.
Was lautet Ihr Fazit zum Projekt Lernatelier?
Für die Lernenden war die Unterstützung sehr wichtig. Die vielen positiven Rückmeldungen zeigen, dass sich der Aufwand mehr als gelohnt hat. Beeindruckend war auch, mit welchem Engagement sich das Projektteam für das Lernatelier «Starthilfe nach Covid-19» und somit für die Jugendlichen eingesetzt hat. Wir alle haben nicht abgewartet, bis die Forschung die Beweise für Defizite nach dem Fernunterricht aufzeigt, sondern haben innerhalb kurzer Frist das Lernatelier konzipiert und gestartet.
Medienmitteilung zu den Lernateliers vom 19. Januar 2021
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