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Ergebnisse der Fernunterricht-Umfrage: Luzerner Schulen sind gut aufgestellt

Text/Bilder: BKD-Blog-Redaktion

Das Bildungs- und Kulturdepartement hat als schweizweit einziger Kanton im Juni 2020 mit einer breit angelegten kantonsweiten Umfrage Lehrpersonen und Lernende aller Stufen,  Eltern und Erziehungsberechtigte, Schulleitungen und BerufsbildnerInnen zum Fernunterricht befragt. Die Umfrage führte das LINK-Institut durch. Nun liegen die detaillierten Ergebnisse vor. Bildungsdirektor Marcel Schwerzmann ist erfreut über die zumeist guten Rückmeldungen. Im Gespräch zeigt er zudem auf, wie das BKD die Digitalisierung im Bildungsbereich weiter verstärken möchte. Sozialforscherin Sabine Frenzel vom LINK-Institut hat die Umfrage begleitet.

Marcel Schwerzmann, die Umfrage zeigt: knapp 80% aller Befragten über alle Stufen hinweg waren mit dem Fernunterricht zufrieden. Was sagen Sie dazu?

Marcel Schwerzmann Bildungs- und Kulturdepartement BKD im Kanton Luzern
Regierungsrat Marcel Schwerzmann will digitale Elemente und die zugehörigen pädagogischen Inhalte künftig im Unterricht stärker verankern.

Marcel Schwerzmann: Gefreut hat mich, dass drei Viertel der Eltern mit Kindern in der Volksschule sehr gut oder gut zufrieden waren mit dem Fernunterricht, denn in den Medien zeigte sich oft ein ganz anderes Bild. Offenbar ist es den Lehrpersonen unter den gegebenen Umständen gelungen, dass die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern dem Fernunterricht auch Positives abzugewinnen vermochten. Als Gründe dafür werden die guten technischen Voraussetzungen seitens der Schulen, klare Lern- bzw. Arbeitsaufträge wie auch die mehrheitlich gute Erreichbarkeit der Lehrpersonen angesehen.  

Was gab den Ausschlag für die mehrheitlich positiven Rückmeldungen?

60% der Lernenden gaben an, dass sie die zeitliche Flexibilität und die vermehrte Freizeit schätzten. Ebenso, dass das Pendeln zum Schulort wegfiel und sie mehr Zeit mit der Familie verbringen konnten. Die erbrachten schulischen Leistungen wurden von den Lernenden teilweise als besser oder zumindest gleich gut wie im Präsenzunterricht gewertet.

 

Bei den Lehrpersonen wird als erster positiver Aspekt vermerkt, dass sie nun besser mit den bereitgestellten digitalen Tools umgehen können, dass sie flexibler arbeiten konnten und das Pendeln zum Arbeitsplatz wegfiel. 

Folie aus Umfrage zum Fernunterricht, Kanton Luzern
Auf die Frage "Was hat dir/Ihnen am Fernunterricht besonders gut gefallen, heben Lernende wie Lehrpersonen den Zugewinn an Zeit und zeitlicher Flexibilität hervor.

 

Nicht alles war positiv – die sozialen Kontakte fielen weg, Selbständigkeit war im hohen Masse gefordert…

Ja, die fehlenden sozialen Kontakte mit den "Schulgspänlis", mit den Kolleginnen und Kollegen im Lehrerzimmer – dieser Punkt wurde bei allen Befragten als erster auf der Negativliste genannt.

 

Die Schüler gaben als zweiten problematischen Punkt Konzentrationsschwierigkeiten an, die Lehrpersonen die schwierige Abgrenzung zwischen Alltag und Unterricht. Das selbständige Arbeiten wurde nicht unbedingt als schlecht erlebt: so gaben die Schülerinnen und Schüler der Volksschule zur Hälfte an, selbständiger arbeiten zu können als im Präsenzunterricht, auf der Sekundarstufe l und bei den Hochschulen sind es zwischen 65 und 75 Prozent! 

Folie Ergebnisse der Umfrage zum Fernunterricht während der Corona-Zeit im Frühjahr 2020 - Herausforderungen
Aus den Umfrageergebnissen: Zu den Herausforderungen im Fernunterricht zu Hause gehörte die Trennung von Privatem und Beruflichem bei den Lehrpersonen sowie die Mühe sich am Bildschirm zu konzentrieren bei Lernendnen

Welches Ergebnis hat Sie überrascht?

Die Antworten zur Frage, ob und inwieweit man sich eine Mischform zwischen Präsenzunterricht und Fernunterricht vorstellen könnte! Hier gab es interessante Antworten. Ein Drittel der Lehrpersonen aller Stufen sprachen sich dafür aus, in Zukunft den Unterricht zu 75% als Präsenzunterricht und 25% als Fernunterricht zu gestalten. Die Eltern der Volksschulkinder zeigen sich zu einem Drittel offen für zumindest einen 25%-Anteil Fernunterricht – aber 47% sind klar für vollständigen Präsenzunterricht vor Ort. Offenbar haben es die Eltern auch geschätzt, dank dem Fernunterricht einen vermehrten Einblick in den Schulalltag ihrer Kinder zu erhalten. Und auch bei den oberen Schulstufen besteht eine gewisse Zustimmung, über neue Schulformen nachzudenken und Fernunterricht – oder ausserschulische Lernorte – zumindest teilzeitlich beizubehalten. 

Lernende auf dem Schulareal der Kantonsschule Seetal
Schule ist Ort der Begegnung und des Austausches: Schülerinnen und Schüler auf dem Schulareal der Kantonsschule Seetal bevor das Coronavirus die Welt erfasste.

 

Die Umfrage soll ja auch richtungsweisend sein für die «Schule der Zukunft» und den Einsatz von digitalen Unterrichtstools. Welche Erkenntnisse nehmen Sie hier mit?

Aus meiner Sicht ergeben sich aus den Umfrageresultaten verschiedene Handlungsfelder, die im BKD und später zusammen mit den Schulpartnern weiterbearbeitet werden sollen. Es hat sich gezeigt, dass der Fernunterricht unter dem Corona-Regime glücklicherweise gut funktioniert hat. Die Luzerner Schulen waren bereits vor der Corona-Krise bezüglich Digitalisierung gut aufgestellt.

 

Nun muss allerdings der Fokus auf inhaltliche Themen gelegt werden. Wir wollen verschiedene Themen wie selbständiges Arbeiten mit neuen Lernformen, geeignete online-Tools, die Rolle der Lehrpersonen sowie der teilzeitliche Einsatz von Fernunterricht in den oberen Schulstufen weiterentwickeln. Es gilt, pädagogische Inhalte internettauglich oder fernunterrichttauglich zu machen, wie auch eine allfällig neue Rolle der Lehrpersonen als «Unterstützer und Vermittler für Fernunterricht» zu schärfen und zu schulen. Wichtig sind – und das hat die Umfrage klar hervorgebracht – nach wie vor die sozialen Interaktionen zwischen Lernenden und Lehrpersonen sowie die Tatsache, dass Schule auch ein realer Ort, ein Begegnungsplatz ist.

 

Wie geht es nun konkret weiter?

An einer Kadertagung des Bildungs- und Kulturdepartements wurden bereits erste Ziele erarbeitet. Das Projekt «Digitalisierung im Bildungsbereich» wird vorwärtsgetrieben und personell mit einem Digitalverantwortlichen in der Departementsleitung verstärkt. Wir wollen digitale Elemente und die zugehörigen pädagogischen Inhalte künftig im Unterricht einbauen, dort wo es stufengerecht und auch machbar ist. Aber wir wollen ebenso mit grosser Sorgfalt die sozialen Komponenten der künftigen Schule angehen. 

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Digitalisierung im Bildungsbereich weiter verstärken

Erste konkrete Massnahmen im Bildungs- und Kulturdepartement sind bereits aufgegleist:

  • so unter anderem die 1:1-Ausstattung der Lernenden mit den notwendigen Geräten ab der 3. Primarklasse, die Erarbeitung digitaler Lehrmittel (zum Beispiel die Plattform www.entdecke.lu.ch),
  • die Verstärkung der Weiterbildung der Lehrpersonen für digitalen Unterricht oder
  • die Schaffung einer Prüfungsinstanz für digitale Lehrmittel.
  • Weiterhin sind Projekte zur digitalen Schuladministration und Datenverwaltung bereits in der Umsetzung.
  • Geplant ist zudem ein einheitliches Softwaretool für digitale Prüfungen an Gymnasien und Berufsfachschulen.
  • Und schliesslich wird auf das Thema Selbstorganisiertes Lernen (SoL) ein spezielles Augenmerk gerichtet: hier sollen entsprechende Unterrichtskonzepte entwickelt werden, allenfalls sogar mit einem fixen Anteil Fernunterricht in den oberen Schulstufen.  

Sabine Frenzel, Sie haben die BKD-Umfrage zum Fernunterricht wissenschaftlich begleitet. Was machte diese Befragung speziell?

Dr. Sabine Frenzel Link-Institut
Dr. Sabine Frenzel ist Geschäftsbereichsleiterin Sozialforschung beim LINK-Institut.

Sabine Frenzel: Speziell machten diese Befragung sicherlich die Umstände, die überhaupt erst dazu führten, dass eine solche Befragung notwendig wird.

Eine solch drastische Umstellung vom klassischen Präsenzunterricht zu einem 100-prozentigen Fernunterricht – egal wie geartet dieser im Detail stattfand. Die hohe Professionalität des Kantons in verschiedenerlei Hinsicht. Zum einen die Ganzheitlichkeit in der Art, wie die Befragung durchgeführt wurde. Man hat alle Schulstufen - angefangen mit dem Kindergarten bis hin zur Hochschule - sowie alle unterschiedlichen Zielgruppen von Lernenden, Lehrpersonen bzw. Dozierenden aber auch BerufsbildnerInnen und LehrmeisterInnen sowie Schulleitungen befragt. Auch die Eltern, die in den unteren Klassenstufen besonders vom Fernunterricht «betroffen» waren, wurden einbezogen bei der Befragung der Volksschulen. Soweit mir bekannt ist, gab es keinen anderen Kanton, der so vollumfänglich befragt hat.

 

Zudem natürlich auch der Mut, hier ein unabhängiges Institut wie LINK zu beauftragen. Meiner Meinung nach wurden die Ergebnisse, die den Kanton sehr stolz machen können, kritisch durchleuchtet und man hat keine Zeit «verschwendet», um die Lage zu sondieren und nun notwendige Massnahmen für die Zukunft in die Wege zu leiten.

Gibt es Ergebnisse, die Sie überrascht haben? Weshalb?

Überrascht haben mich insbesondere zwei Ergebnisse:

  1.   Aus den Vorgesprächen mit dem Kanton war schnell klar, dass hier schon lange vor dem Lockdown die Weichen für eine Digitalisierung des Unterrichts gestellt wurden. Dennoch hat die Tatsache, dass das Arbeitsumfeld beim überwiegenden Teil der Befragten zuhause sehr gut für den Fernunterricht geeignet war, positiv überrascht. Zum einen im Hinblick auf die Umgebung (man hatte Ruhe und genügend Platz zur Verfügung) aber auch im Hinblick auf die technische Ausstattung zuhause. Ab Zyklus 2 (ab 3.-4. Klassen Primarschule) hatten über 90% der Befragten ein Laptop und WLAN zur Verfügung. Hatten die Schülerinnen und Schüler kein eigenes Laptop, so wurde dies ab Sek I vom Kanton zur Verfügung gestellt. Dieser Dienst wurde von gut der Hälfte der Befragten in Anspruch genommen. Das System funktioniert also sehr gut.

  2.   Überraschend fand ich auch die überwiegend positive Einstellung gegenüber dem Fernunterricht über alle Schulstufen und Zielgruppen hinweg. Natürlich gibt es hier Unterschiede, aber selbst die Eltern (insbesondere die Mütter haben zu 83% den Fragebogen beantwortet), die gerade in den unteren Stufen eine grosse Last mittragen mussten, waren überwiegend (fast ¾) sehr bis eher zufrieden mit dem Fernunterricht. Daraus resultierend dann natürlich auch die grundsätzliche Bereitschaft aller Zielgruppen den Fernunterricht zumindest in Teilzeit beizubehalten. 

Wie haben Sie persönlich bzw. beruflich die Zeit des Lockdowns resp. des Fernunterrichts erlebt?

Es war eine riesige Herausforderung Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen, da unsere Kinder (6 und knapp 2) zuhause betreut werden mussten. Es war eine spannende Zeit und ich muss aus ganz persönlicher Sicht sagen, dass ich sehr froh darüber bin, dass man sich in Luzern nicht nur Gedanken dazu macht, wie man das «Real-Experiment» Fernunterricht in den Regelbetrieb überführen kann, um bei einem erneuten «Lockdown» adäquat vorbereitet zu sein, sondern den Gedanken auch Taten folgen lässt. Denn aus meiner Sicht wäre es das falsche Signal, dieses Momentum nicht zu nutzen. 



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