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Schülerengagement: Junge Menschen können ihre Schulen positiv verändern

Bilder: Julian Arnold und Kantonsschule Willisau

Interview und Text: Julian Arnold (KS Willisau) und Gabriela Mischkale (Blog-Redaktion)

Schülerinnen und Schüler der Kantonsschulen und des Fachmittelschulzentrums FMZ wollen mehr als gute Noten und Partys feiern. Sie möchten ihre Zeit in der Schule mitgestalten - durch Feedback, soziale Events oder Verbesserungen der Infrastruktur. Dafür schliessen sie sich an den einzelnen Schulen in Schülerorganisationen und kantonal zu einem Verband zusammen. Im Verband vernetzen sie sich und handeln schulübergreifend. Der Gymnasiast Julian Arnold präsidiert dieses Jahr den Verband der Luzerner Schülerorganisationen und hat sich einiges vorgenommen.

Julian Arnold, Schüler der Kanti Willisau ist Vertreter der Schülervertretung
Der politisch interessierte Kantischüler Julian Arnold ist Vollzeit-Schüler und hat gerade ein Doppelamt: Er präsidiert die Schülervertretung der Kanti Willisau und auch den kantonalen Verbandes aller Luzerner Schülerorganisationen.

Schülerinnen und Schüler verbringen täglich bis zu 10 Stunden an der Schule. Dadurch wird die Schule fast zu einem zweiten Zuhause. Neben den Schulfächern gibt es auch soziale und emotionale Herausforderungen zu bewältigen. Während Jugendlichen daheim ihre Bedürfnisse direkt diskutieren können, ist die Hemmschwelle an der Schule viel grösser.

 

«Wir wollen in der Schule mitbestimmen, soziales Miteinander fördern und bei Missständen auch verändern können», sagt Julian Arnold. Er ist 16 Jahre alt und besucht gerade die 5. und vorletzte Klasse vor der Matura an der Kanti Willisau. Sein Schwerpunktfach ist Wirtschaft und Recht, doch lässt sich Julian fast von jedem anderen Fach genauso begeistern.

 

Aber Fachwissen ist nicht alles, was zählt. Die Zeit mit den Mitschülerinnen und Mitschülern, das soziale Miteinander und die Freude am Gestalten beschäftigen ihn auch. Vor zwei Jahren hat er die Schülerorganisation (SO) an seiner Kanti mit aufgebaut. Dieses Jahr präsidiert er den Verband aller Schülerorganisationen im Kanton Luzern (VLSO). Seine Triebfeder: mit und in der Gemeinschaft etwas bewegen. 

 

Was Julian und die Mitschülerinnen antreibt, ist der Wunsch zu gestalten: Er mache die Erfahrung, dass viele über kleinere und grössere Missstände klagen, jedoch nichts unternehmen. Dies möchte er ändern - sich engagieren und anpacken, um etwas zu verändern.

 

Zudem könne er dank dieser Arbeit enorm viel für die Zukunft lernen. «Wie leite ich Sitzungen? Wie koordiniere ich ein Team und eine Organisation? Wie ist es, wenn man Verantwortung übernimmt? Diese Erfahrungen sind enorm wertvoll», sagt Julian.

Armin Hartmann zu Besuch an der Kanti Willisau. Mit ihm sprachen Vertreter der Schülerorganisation u.a. auch Julian Arnold.
Im Dezember 2023 besuchte Bildungs- und Kulturdirektor Armin Hartmann die Kanti Willisau und unterhielt sich mit den SO-Mitgliedern
Durch das Schulhaus führten ihn u.a. Julian Arnold und weitere Schüler der Schülerorganisation.
Durch das Schulhaus führten ihn u.a. Julian Arnold und weitere Schüler der Schülerorganisation.

Schülerorganisationen verändern die Stimmung an Schulen positiv

In diesen zwei Jahren hat die SO der Kanti Willisau konkrete Erfolge erzielt. Sie haben dafür gesorgt, dass an Ihrer Kantonsschule zum Beispiel gratis Hygieneartikel auf der Frauentoilette verfügbar sind. Das Thema hat vor einiger Zeit schweizweit für öffentliche Diskussion gesorgt: Hygieneartikel betreffen mehr als die Hälfte der Schülerschaft, dennoch galt es als Tabu-Thema wie auch als Privatsache. 

 

Eine weitere Verbesserung sind die Tücher zum Abtrocknen an den Waschbecken in den Schulzimmern. Diese praktischen Helfer waren mit Ende der Corona-Zeit entfernt worden und es dauerte eine Weile, bis diese zurück waren. 

 

Vorstand  SO Kanti Willisau im Jahr 2024
Im Schuljahr 2024/25 bilden sie den Vorstand der SO der Kanti Willisau: (v. l. n. r.) Max Hofstetter, Julian Arnold (Präsident), David Imfeld, Manou Portmann

Vor wenigen Wochen kritisierte die SO der Kanti Willisau in einem offenen Brief die Mängel in der Kommunikation seitens der Mensa. Diese hatte ohne Vorankündigung angeordnet: Nur wer Mensa-Produkte konsumiert, darf auch das Besteck nutzen. Die Schüler/innen fühlen sich nicht informiert und vom sozialen Raum «Mensa» ausgeschlossen. Inzwischen hat ein klärendes Gespräch mit gutem Ausgang stattgefunden, meldet Julian. 

  

An der Kanti Willisau treffen sich die Mitglieder der SO alle zwei Wochen und tauschen sich aus. Sie besprechen, was gut läuft. Sie diskutieren auch, wo Verbesserungen nötig sind. Im Lern- und Testbetrieb komme der soziale Austausch unter den Lernenden manchmal zu kurz, so Julian. Die SO der Kanti Willisau plane darum auch soziale Events. Aktuell ist dies ein Jass-Turnier, bei dem das gemeinsame Erlebnis im Mittelpunkt steht.

Partnerschaft zwischen Schulleitung und Schülerorganisation

Die Schulleitung der Kanti Willisau unterstützt die Arbeit der SO. Zum Start im Schuljahr 2024/25 kann die SO ihre Anliegen und Vorhaben vor allen präsentieren.
Die Schulleitung der Kanti Willisau unterstützt die Arbeit der SO. Zum Start im Schuljahr 2024/25 kann die SO ihre Anliegen und Vorhaben vor allen präsentieren.

Die Schülerorganisation ist zwar unabhängig. Doch ohne den engen Austausch und eine gute Zusammenarbeit mit der Schulleitung, läuft es nicht, ist Julian überzeugt.

 

Eigentlich verdanken sie der Schulleitung der Kanti Willisau, dass es überhaupt eine Schülerorganisation gibt. Die Schulleitung habe die Schüler ermutigt, sich zu engagieren und durch Tipps in Planung und Projektorganisation dazu befähigt.

 

Tobias Bachmann ist Fachlehrer für Wirtschaft und Recht und Prorektor an der Kanti Willisau. Er ist seitens der Schulleitung treibende Kraft und Stütze für die Schülerorganisation. Er hilft mit Tipps, Zeit und ist an den Sitzungen der Schülerorganisation dabei. «Wir wollen, dass die Schülerschaft eine Stimme hat und mit einer offiziellen Instanz in die Schulgemeinschaft eingebunden ist», schreibt Bachmann in einer E-Mail.

 

Bachmann ist klar für die Partizipation der Lernenden an der Schule, er sieht aber auch Stolpersteine: «Die grösste Herausforderung sehe ich darin, dass die SO lebendig bleibt, auch wenn die Schülerschaft keinen unmittelbaren Leidensdruck und Handlungsbedarf hat. Viele Schülerinnen und Schüler sind auch neben der Schule noch vielseitig engagiert. Sich dann auch noch für die Anliegen der Mitschüler/-innen einzusetzen ist häufig nicht oberste Priorität. Doch wir wollen die Strukturen bereithalten, damit sich die SO kulturell etablieren kann.»

Viel Zeit verbringt Julian bei Treffen und Gesprächen, oft auch abends nach der Schule. «Das lohnt sich aber, weil wir etwas bewirken, und das motiviert», sagt Julian. Wie schafft er das alles? Er entspannt sich beim Gitarrenspiel, das er seit acht Jahren macht, und beim Handballspielen in der MU19-Mannschaft des STV Willisau. Julian nennt das «Auszoomen» aus dem Schulalltag.

Schülervertretungen schaffen Gemeinschaft und Abwechslung im Schulalltag

Julian und seine Mitstreiter/-innen im kantonalen Verband planen für das Schuljahr 2024/25 eine Art «Neustart», nachdem die Arbeit der Verbands in den letzten Jahren geruht hat. «Zuerst wollen wir den Kontakt mit den kantonalen Verantwortlichen herstellen und z. B. mit der Dienststelle Gymnasialbildung in engeren Kontakt treten. Gleichzeitig möchten wir, dass mehr Schülerinnen, Schüler und Verantwortliche uns kennenlernen.»

 

Im Verband ist Teamarbeit gefragt. Das Präsidium setzt sich zusammen aus dem Präsidenten Arnold; Lia Diana von der Kanti Sursee hat das Amt der Kassierin übernommen, das Vize-Amt hingegen ist noch vakant. Die Mitglieder bringen Besonderheiten aus ihrer Schule mit, denn jede Kanti hat einen anderen Spirit, eine andere Schulkultur. Im Austausch suchen sie gemeinsame Nenner, wie sie ihre Schulen nach aussen vertreten können. Die Mitglieder unterstützen so Veränderungen an den Schulen und tragen sie zur Schulleitung. Und sie bereichern den Schulalltag mit Aktivitäten wie Jass-Turnieren, Flohmärkten und Sportturnieren. Sie stärken das Gefühl von Gemeinschaft abseits von Noten und Leistungen.

 

Julian und die SO-Vertretenden sind besorgt über die psychische Gesundheit an den Schulen aufgrund von steigendem Leistungsdruck und globalen Veränderungen. Deshalb diskutieren sie gerade, ob es nicht mehr psychologische Betreuungsangebote für Schülerinnen und Schüler braucht. Eines unserer Projekte widmet sich der fehlenden Schulsozialarbeit an den Kantonsschulen. «Wir diskutieren darüber, ob eine Schulsozialarbeit zusätzlich zum psychologischen Betreuungsangebot auch an den Kantonsschulen sinnvoll wäre.»

Die Kantis haben zwar Beratungsangebote durch beauftragte Lehrpersonen, doch wäre die Hemmschwelle kleiner, wenn neutrale Personen da wären.

Mit «Zauberkraft» zum besseren WLAN

Julian weiss, dass nicht jede Idee direkt umsetzbar ist. Was würde er direkt anpacken, wenn er zaubern könnte? Dann gäbe es sofort eine starke, sichere und leistungsfähige WLAN-Infrastruktur an der Kanti, überlegt er kurz. Dann lacht er und ergänzt, dass habe sich verglichen von vor ein-zwei Jahren doch sehr gebessert.

Und eine Schulsozialarbeit für die gymnasiale Stufe, ergänzt Julian. 

 

Der politikinteressierte Gymnasiast ist in zwei Jahren fertig mit der Matura. Was der Verband jedoch in dieser Zeit schafft, wird allen Kantischüler/-innen dienen, die nachrücken. 


Der kantonale Verband der Luzerner Schulorganisationen entstand aus Protest

Jede Kanti hat eine eigene Kultur und auch unterschiedlich aktive Schülerorganisation. Die Anliegen der jungen Menschen an jedem Standort werden an gemeinsamen Sitzungen des kantonalen Verbandes der Luzerner Schülerorganisationen (VLSO) diskutiert. Aktuell treffen sich Vertreterinnen und Vertreter der Kantis Alpenquai, Beromünster, Musegg, Reussbühl, Seetal, Sursee, Willisau und des Fachmittelschulzentrums FMZ. Der VLSO möchte die noch fehlenden Schulen Schüpfheim und St. Klemens zur Mitarbeit einladen und einbeziehen.

 

Den kantonalen Zusammenschluss gibt es erst seit 2013. Dieser erfolgte aus Protest der Kanti- und Berufsschüler/-innen, weil die Regierung Sparmassnahmen verabschiedete, die die Schulen stark betrafen. Um Mittel zu sparen, diskutierte die Luzerner Regierung die Herbstferien der GymnasiastInnen, Berufs- und Fachmittelschüler/-innen um jeweils eine Woche zu verlängern. Die Massnahmen wurde 2016 umgesetzt. Die Protestaktionen konnten die «Zwangsferien» zwar nicht abwenden. Doch der VLSO hat dafür gesorgt, dass in der Öffentlichkeit viel über diese Probleme gesprochen wurde.



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