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Von Architektur bis ZHB: Die Kantonale Denkmalpflegerin Cony Grünenfelder zieht Bilanz

Interview: Vera Bergen 

Per Ende März 2025 tritt Cony Grünenfelder als Kantonale Denkmalpflegerin zurück. Ihre Arbeit hinterlässt prägende Spuren etwa bei der Instandsetzung der Museggmauer, der Restaurierung der Zentral- und Hochschulbibliothek und bei der Unterschutzstellung der Villa Senar. Nach über 14 Jahren Einsatz für Luzerns Baudenkmäler und Baukultur will sie sich künftig freiberuflich für Denkmalpflege und Ortsbildpflege engagieren. Doch bevor sie geht, wirft sie einen Blick zurück - mit Aussicht nach vorne.


In Kürze: 

  • Cony Grünenfelder ist seit 2010 Kantonale Denkmalpflegerin. Sie setzt sich für den Erhalt von historischen Bauten und Ortsbildern ein.
  • Auch der Erhalt von Gebäuden als nachhaltige Alternative zum Abriss und der Schutz von Bauten aus dem 20. Jahrhundert waren ihr sehr wichtig.
  • Dank Veranstaltungen wie den Europäischen Tagen des Denkmals und Quartierspaziergängen hat sie das Thema Denkmalpflege einer breiten Bevölkerung nähergebracht.
  • Sie engagiert sich künftig freiberuflich für Denkmal- und Ortsbildpflege. Sebastian Geisseler übernimmt per 1. April 2025 als Kantonaler Denkmalpfleger. 

Cony Grünenfelder leitete seit 2010 die Kantonale Denkmalpflege. Nach ihrem Rücktritt Ende März 2025 möchte sie sich künftig freiberuflich für Denkmalpflege und Ortsbildpflege einsetzen. (Bild: zVg)
Cony Grünenfelder leitete seit 2010 die Kantonale Denkmalpflege. Nach ihrem Rücktritt Ende März 2025 möchte sie sich künftig freiberuflich für Denkmalpflege und Ortsbildpflege einsetzen. (Bild: zVg)

Cony Grünenfelder, was sind Ihre prägendsten Erlebnisse Ihrer über 14 Jahre als Kantonale Denkmalpflegerin? 

Mit dem Umbau und der Restaurierung der 1949-1951 erbauten Zentral- und Hochschulbibliothek (ZHB) ist ein attraktiver und äusserst beliebter Lese-, Lern- und Rückzugsort in der Stadt Luzern entstanden. Doch zuvor war der Erhalt dieses bedeutenden Bibliothek-Baus aus der Zeit der Nachkriegsmoderne über Jahre in Frage gestellt. Eindrücklich war das grosse Engagement der Planerverbände und der Bevölkerung gegen den Abbruch. Schliesslich wurde die Volksinitiative «Zur Rettung der ZHB Luzern» mit einer Mehrheit von 75,6 % angenommen. Das Resultat zeigt eindrücklich: Denkmalpflege kann Mehrwert schaffen und lohnt sich.

 

Auch die Restaurierung der Museggmauer zählt zu den prägenden Erlebnissen. Sieben Türme und alle Mauerabschnitte wurden in zehn Etappen restauriert. Hoch über der Stadt Luzern und von weitem ersichtlich thront sie und macht sowohl Einheimischen als auch auswärtigen Gästen noch heute Geschichte eindrücklich erlebbar. Die Restaurierung ist das Resultat einer vorbildlichen interdisziplinären Zusammenarbeit von Fachleuten aus den Bereichen Archäologie, Architektur, Baustatik, Bauphysik, Denkmalpflege, Dach- und Holzkonstruktion, Natursteinrestaurierung, Kalkmörtelverarbeitung und Ökologie. 

Blick vom Dächliturm zum Allewinden-, Pulver- und Schirmerturm. (Bild: Denkmalpflege Luzern)
Blick vom Dächliturm zum Allewinden-, Pulver- und Schirmerturm. (Bild: Denkmalpflege Luzern)

Sie sind überzeugt davon, «dass intakte Ortsbilder und unversehrte Baudenkmäler zur Lebensqualität unseres Kantons» beitragen. Wieso?

Baudenkmäler geben als gebaute Zeugen der Vergangenheit unserer Dörfer und unserer Städte ein Gesicht und tragen zu ihrer Attraktivität bei. Intakte Ortsbilder und unversehrte Baudenkmäler bilden Identität, sind ein Standortvorteil und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, und insbesondere in Bezug auf den Tourismus im Kanton Luzern von herausragender Bedeutung. Ihr Schutz ist deshalb eine wichtige, gesellschaftsrelevante Aufgabe. Das Beispiel der Stadt Sempach zeigt, dass sich Ortsbildpflege auszahlt. Die Kleinstadt wurde 2017 vom Schweizer Heimatschutz für die sorgfältige Pflege und zeitgemässe Weiterentwicklung ihrer historischen Ortskerne Sempach und Kirchbühl – beide als Ortsbilder von nationaler Bedeutung eingestuft – mit dem Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes ausgezeichnet.

Sie haben einen besonderen Schwerpunkt auf Denkmäler des 20. Jahrhunderts gelegt, darunter die Zentral- und Hochschulbibliothek und die Villa Senar. Warum ist der Erhalt moderner Bauten für Sie so bedeutsam?

Baudenkmäler sind als gebaute Zeugen der Geschichte Erinnerungsträger. Sie sind Teil unserer Geschichte und Identität und es ist die Aufgabe der Denkmalpflege unsere Baudenkmäler zu pflegen und zu erhalten. Nicht nur Schlösser, Rathäuser und Kirchen, sondern auch Bauten aus der jüngeren Vergangenheit gehören zu den schutzwürdigen Errungenschaften unserer Baukultur. 

 

Die Bauten der Nachkriegsmoderne sind für viele erst auf den zweiten Blick als Baudenkmäler erkennbar, deshalb ist die Sensibilisierung für die jungen Denkmäler sehr wichtig. In der Vergangenheit lag auch der Fokus der Denkmalpflege schwergewichtig auf anderen Schaffensperioden der Architektur. Doch nun stehen Instandsetzungen und Renovationen an und es ist entscheidend die herausragenden schutzwürdigen Bauten rechtzeitig zu bezeichnen. 

Das Spannungsfeld zwischen dem Erhalt schützenswerter Gebäude und den Anforderungen an Klimaschutz und Energieeffizienz stellt oft eine Herausforderung dar. Wie sind Sie diesen Zielen in Ihrer Amtszeit begegnet?

Die aktuelle Diskussion bezüglich Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft eröffnet einen neuen Blick auf die Rolle der Denkmäler, denn historische Gebäude und ihr Erhalt sind nachhaltig. Dank ihrer handwerklichen und materiellen Qualitäten sind Baudenkmäler in der Regel reparierbar und langlebig, ihr Anteil an grauer Energie ist meist klein. So trägt ihre Weiternutzung dazu bei, Ressourcen und Umwelt zu schonen.

 

Klimaschutz und Denkmalpflege sind zwei wichtige öffentliche Interessen. Beide haben den Fortbestand einer vielfältigen, natürlichen und kulturellen Umwelt zum Ziel. Deshalb setzt sich die Denkmalpflege dafür ein, Baudenkmäler möglichst authentisch zu erhalten und gleichzeitig die Verbesserung der Energiebilanz zu erreichen. Mit gezielten massgeschneiderten Massnahmen kann eine deutliche Verbesserung der Energiewerte erreicht werden. 

Die Europäischen Tage des Denkmals bieten einmal pro Jahr Führungen, Atelier- und Baustellenbesichtigungen, Exkursionen sowie eine Vielzahl weiterer Veranstaltungen rund um die Themen Baukultur, Denkmalpflege, Architektur an. (Bild: zVg)
Die Europäischen Tage des Denkmals bieten einmal pro Jahr Führungen, Atelier- und Baustellenbesichtigungen, Exkursionen sowie eine Vielzahl weiterer Veranstaltungen rund um die Themen Baukultur, Denkmalpflege, Architektur an. (Bild: zVg)

Dank Angeboten wie den Europäischen Tagen des Denkmals und den Quartierspaziergängen wurde die Denkmalpflege stärker in der Öffentlichkeit verankert. Warum war diese Öffnung so wichtig und wie wurde sie von der Bevölkerung aufgenommen?

Mit ihren Vermittlungsangeboten und Publikationen wendet sich die Kantonale Denkmalpflege an eine breite Öffentlichkeit, um diese für die Anliegen der Denkmalpflege zu sensibilisieren.

 

Führungen eignen sich hervorragend, um Kulturdenkmäler vorzustellen und Interessierte für deren Erhaltung zu begeistern. Unsere Angebote stossen auf grosses Interesse, so sprechen wir jährlich rund 2’500 Personen an. Mittels Führungen und weiteren Anlässen informieren wir über aktuelle Restaurierungen und vermitteln Wissen zu Geschichte, Kultur, Handwerk und Kunstgeschichte. Durch diese breite Abstützung in der Bevölkerung gelingt es uns, Verständnis für die Aufgaben der Denkmalpflege zu schaffen. Öffentlichkeitsarbeit ist auch wichtig, um zu zeigen, weshalb und wofür öffentliche Mittel im Bereich Denkmalpflege notwendig sind. 

Ein Meilenstein Ihrer Arbeit war die flächendeckende Erst-Inventarisation schützenswerter und erhaltenswerter Bauten (auf Geoportal abrufbar). Wie hat dies Ihre Arbeit und die Zusammenarbeit mit Gemeinden, Planerinnen und Eigentümern verändert?

Das Bauinventar ist ein Hinweisinventar, das den gesamten Gebäudebestand auf seinen kulturgeschichtlichen Stellenwert prüft und bewertet. Die Inventare wurden gemeindeweise erarbeitet und in Kraft gesetzt. 2021 wurde die Erstinventarisation im Kanton abgeschlossen. Das Bauinventar hat sich seither als wertvolles Instrument im Baubewilligungsverfahren bewährt und bietet den Eigentümerinnen und Eigentümern, aber auch den Planern und Behörden wichtige Rechts- und Planungssicherheit. Das Bauinventar zeigt allen transparent auf, wo erhöhte Sorgfalt gefordert ist und das Erarbeiten von gemeinsamen Lösungen notwendig ist.

Sebastian Geisseler übernimmt ab dem 1. April 2025 die Nachfolge von Cony Grünenfelder als Kantonaler Denkmalpfleger. (Bild: zVg)
Sebastian Geisseler übernimmt ab dem 1. April 2025 die Nachfolge von Cony Grünenfelder als Kantonaler Denkmalpfleger. (Bild: zVg)

Welchen Tipp geben Sie ihrem Nachfolger Sebastian Geisseler mit auf den Weg, um die Denkmalpflege im Kanton Luzern weiterhin erfolgreich zu gestalten?

Gemeinsam frühzeitig ins Gespräch zu kommen, ermöglicht das Erarbeiten von tragfähigen und denkmalverträglichen Lösungen. Dazu braucht es Offenheit und Verständnis für das Gegenüber.


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