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«Wenn Food Waste sichtbar wird»: Studierende der Uni geben Buch heraus

Text: Catrina Klee; Universität Luzern

Bilder aus Projekt Food Waste, Universität Luzern

Lebensmittelverschwendung und was man aktiv dagegen tun kann: ein aktuelles Thema, das eine Gruppe Master-Studierende der Universität Luzern in einem 200-seitigen Sammelband erforscht und bearbeitet hat. Catrina Klee, Mitautorin von «Wenn Food Waste sichtbar wird» beschreibt ihre persönliche Auseinandersetzung mit dem Thema und die Entstehung der Buchpublikation. Ihr Schwerpunkt liegt auf Food Waste in der Gastronomie.

Catrina Klee Food Waste
Catrina Klee - Mitautorin des Buches Food Waste und ehemalige Studentin an der Uni Luzern.

«Und plötzlich waren wir mittendrin und verfolgten während zwei Jahren das Ziel einer wissenschaftlichen Buchpublikation. Gemeinsam mit Kommilitoninnen und Kommilitonen der Universität Luzern habe ich mich im Rahmen eines Forschungsseminars mit qualitativen Forschungsmethoden vertraut gemacht und darauf aufbauend eigenständig ein konkretes Forschungsprojekt zum Thema Lebensmittelverschwendung konzeptualisiert und durchgeführt: Food Waste in der Gastronomie. Meine Ergebnisse wurden zusammen mit den anderen elf Beiträgen kürzlich in einem wissenschaftlichen Sammelband mit dem Titel «Wenn Food Waste sichtbar wird. Zur Organisation und Bewertung von Lebensmittelabfällen» publiziert. Die ambitionierte Idee dieses Publikationsprojekt entstand erst im Laufe des Projektes, nachdem wir unsere Projektideen zuerst im Rahmen von Poster-Ausstellungen der Öffentlichkeit vorgestellt haben.

Im Fokus: Gastronomiebetriebe

Im Fokus meiner Arbeit stand die alltägliche Lebensmittelverschwendung in einem Gastronomiebetrieb und die Frage, wie das Personal damit umgeht. Mein Interesse für die Gastronomie war persönlich, da ich selber in der Gastronomie gearbeitet habe. Zudem fällt hier – neben Haushalten und Supermärkten – ein grosser Teil Food Waste an; in der Schweiz sind dies rund 13 Prozent der gesamten Lebensmittelverschwendung. Da im Zuge der gegenwärtigen Nachhaltigkeitsdebatten das Thema Food Waste an Achtsamkeit gewinnt, wird das Anfallen von Lebensmittelabfällen auch in der Gastronomie zunehmend problematisiert. So sind Gastronomiebetriebe zunehmend mit der Erwartung konfrontiert, die durch sie produzierten Lebensmittelabfälle drastisch zu vermindern. Gleichzeitig sind Gastronomiebetriebe aber Wirtschaftsunternehmen, die ihre Kundinnen und Kunden zufriedenstellen müssen, um anvisierte Gewinne zu erzielen. 

 

Gerade im Gastronomiebetrieb gilt das Motto «der Kunde ist König», weshalb diesen besser zu viel als zu wenig serviert werden sollte. Wie das Personal eines Schweizer Traditionsbetriebes mit diesen Spannungen umgeht, habe ich in meiner Arbeit mittels Beobachtungen und Interviews untersucht. Die Resultate dieser Forschung zeigen, wie das Servicepersonal das Thema Food Waste auf eigenmächtige Weise und ohne Anweisungen in ihren Arbeitsalltag auf der Hinterbühne übersetzt. Das heisst zum Beispiel, dass Brötchen, die an die Gäste abgegeben und von ihnen nicht konsumiert wurden, nicht im Schweinekübel landen, so wie die Hygienevorschriften es vorschreiben. 

Lebensmittelabfälle vor Augen entwickelt Bewusstsein

Lebensmittel landen in der Tonne...
Lebensmittel landen in der Tonne...

Um die verschwenderische Rolle der Gäste so zu adjustieren, dass weniger Lebensmittelabfälle anfallen, hat das Servicepersonal verschiedene Lösungsvorschläge identifiziert (Sensibilisierung des Gastes, Motto «Es hät, so lang’s hät», Anpassung der Portionsgrösse, Weitergabe und Verteilung an karitative Organisationen und das Einführen einer Expertenausbildung). Für all diese gilt, dass die Einbindung der Gäste wichtig ist, denn diese können Food Waste einfach vergessen, weil das Servicepersonal diese schnell zum Verschwinden bringt.

Das Servicepersonal hingegen, das die Lebensmittelabfälle stets vor Augen hat und wortwörtlich damit in Berührung kommt, entwickelt Sensibilitäten für die Lebensmittelverschwendung und beginnt eigenständig dagegen anzukämpfen. Food Waste zu sehen, scheint folglich Voraussetzung dafür zu sein, dass Anstrengungen zur Reduktion gemacht werden.

Respekt vor Buch-Projekt – und grosse Freude über das Resultat

Food Waste
Die 11 Co-Autorinnen und Autoren präsentieren stolz ihr Werk:
Food Waste
Wenn Food Waste sichtbar wird.

Seit diesem Februar sind diese Ergebnisse sowie die Resultate aus den anderen Forschungsprojekten zu Insekten-Start-ups, No-Food-Waste-Kochen, Lebensmitteltafeln oder Biogasanlagen und vielen weiteren Themen in unserem Sammelband zu lesen. Unglaublich stolz und äusserst erfreut über das Endergebnis, bedeutet das «In den Händen-halten» des Buches für uns Studierende viel. Während es für die diejenigen Studierenden, die bereits das Master-Studium abgeschlossen haben, eine schöne Erinnerung an ihre Studien- und Forschungszeit ist, ist es für die Anderen eine grosse Motivation, den Abschluss des Masterstudiums in Angriff zu nehmen. Zwar hatten wir anfangs grossen Respekt vor diesem Projekt und wir erlebten viele Momente, in welchen wir am liebsten aufgegeben hätten. Doch es gelang uns, als Gruppe uns immer wieder gegenseitig zu motivieren, Inputs und Tipps zu geben, den nächsten Schritt doch noch zu gehen und uns den Herausforderungen einer wissenschaftlichen Publikation zu stellen. Stets angespornt und motiviert von unserer Dozentin Nadine Arnold, versuchten wir alle, unsere Ergebnisse und Erkenntnisse möglichst prägnant und strukturiert zu Papier zu bringen und das übergeordnete Ziel - die Publikation - nicht aus den Augen zu verlieren.

Das Thema beschäftigt weiter – auch persönlich

Die Auseinandersetzung mit dem Thema Food Waste hat uns in den einzelnen Untersuchungsfeldern nicht nur zu Expertinnen und Experten gemacht, sondern im Zuge des Forschens und Schreibens auch unser Auge für die Thematik geschärft. All das, was wir qualitativ erforscht, gelesen, in den Händen gehalten und mit unseren Sinnen erlebt haben, begleitet uns in unserem post-universitären Privatleben weiter: Altes Brot wird zu Bruschette weiterverarbeitet, runzlige Äpfel, weiche Kiwis und alt-gewordene Orange werden zu einem Smoothie, es wird möglichst saisonal eingekauft, die Inhalte im Kühlschrank werden alle gegessen und Zuviel Gekochtes eingefroren. Auch werden Organisationen, die sich der Reduktion von Lebensmittelverschwendung verschrieben, unterstützt und Mitbewohnerinnen und -bewohner werden angehalten, möglichst wenig Noch-Essbares wegzuwerfen und stattdessen weiter zu Suppen, Konfitüren, Toasts, Wähen und Co. weiterzuverarbeiten. Denn es ist uns ein Anliegen geworden, neben unserem wissenschaftlichen Beitrag, die Erkenntnisse und das Gelernte in unseren Alltag zu übernehmen und mit gutem Beispiel voranzugehen.

Food Waste
Äpfelrüsten mit wenig Abfall - auch im privaten Haushalt kann man Food Waste vermeiden.

Vom Abstrakten zum Handfesten

Insgesamt hat sich für uns das (qualitative) Forschen von einer durchaus abstrakten Wissenschaftsmethode zu etwas Handfestem verändert. Mit unserem Food-Waste-Projekt konnten wir den Wert qualitativer Sozialforschung, der sich in einem besseren Verständnis gesellschaftlicher Probleme zeigt, selber erfahren. So wurde für uns die Auseinandersetzung mit qualitativer Sozialforschung und der Food-Waste-Thematik zu etwas, das uns auch noch nach unserer universitären Ausbildung weiterbegleitet, diese Zeit überdauert und wir sagen können: This, in a nutshell, is what we study for and what our studies can evolve into.»


Hinweise / Weiterlesen:

- Buch: Wenn Food Waste sichtbar wird - Zur Organisation und Bewertung von Lebensmittelabfällen

- Link Universität Luzern: Studierende schreiben Food-Waste-Buch

- Blogbeitrag: Wissen hilft Lebensmittel retten: Schulangebot gegen Food Waste

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