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Einfach erklärt: Neues Aufnahmeverfahren für Berufsmaturitäts- und Fachmittelschulen

Interview: Vera Bergen / Vorschaubild: Pexels / cottonbro studio

Für Jugendliche der 3. Sekundarklasse ist der Zugang zu Berufsmaturitäts- und Fachmittelschulen ab diesem Jahr einfacher. Sie brauchen neu einen tieferen Notenwert, um ohne Aufnahmeprüfung zugelassen zu werden. Wer dies nicht erreicht, kann weiterhin eine Aufnahmeprüfung absolvieren. Diese dauert neu nur noch einen halben Tag. Lea Gnos von der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung erklärt die Änderungen für Lernende und Lehrpersonen.

Lea Gnos leitet seit Januar 2024 die Abteilung Schulische Bildung der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern. (Bild: Christoph Arnet / Arnet Fotografik)
Lea Gnos leitet die Abteilung Schulische Bildung der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern. (Bild: Christoph Arnet / Arnet Fotografik)

Lea Gnos, was  verändert sich ab dem Schuljahr 2023/2024 bei den Aufnahmebedingungen für Berufsmaturitäts-, Fachmittel- und Mittelschulen mit Berufsabschluss? 

Für 3. Sek-Schülerinnen und -Schüler ist es neu etwas einfacher, prüfungsfrei in eine dieser Schulen zu gelangen. Entscheidend sind die Noten des 1. Semesters der dritten Sekundarklasse, wobei neu ein tieferer Notenwert ausschlaggebend ist (genaue Erklärung siehe weiter unten). Wer die Bedingungen für die prüfungsfreie Aufnahme nicht erfüllt, absolviert wie bisher die Aufnahmeprüfung. Neu ist die Aufnahmeprüfung kürzer als bisher: Sie dauert nicht mehr einen ganzen Tag, sondern nur noch einen halben Tag.  

 

Was ist der Grund für diese Anpassung?

Durch diese erleichterten Aufnahmebedingungen bauen wir unnötige Hürden für die Schülerinnen und Schüler ab. Die bisherige Aufnahmeprüfung war für Sek-Lernende sehr anspruchsvoll. Nie vorher in ihren Schulkarrieren haben sie an einem Tag bis zu fünf Prüfungen absolvieren müssen, die für ihren weiteren Weg so entscheidend sind. Einige Jugendliche sind wohl mit Blick auf diese Prüfung gar nicht erst angetreten, oder sind durch die Prüfung gefallen, obwohl sie die notwendigen Kompetenzen für die Berufsmaturitäts- oder Fachmittelschule absolut gehabt hätten. 

Inwiefern haben die erleichterten Aufnahmebedingungen Folgen für Lehrpersonen der Sekundarstufen?

Eigentlich wenig, aber es empfiehlt sich sicherlich, sich mit dem angepassten Aufnahmeprüfungsformat vertraut zu machen. So können sie Schülerinnen oder Schüler ideal begleiten, welche sich auf die Aufnahmeprüfung vorbereiten. Der geprüfte Stoff entspricht noch immer dem, was in der Sekundarschule gemäss Lehrplan unterrichtet worden ist.  Neu ist, dass alle Schüler und Schülerinnen Geometrieaufgaben zu lösen haben.

Für eine prüfungsfreie Aufnahme sind die Noten in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch, Mathematik sowie Natur und Technik des 1. Semesters der 3. Sekundarklasse wichtig. (Bild: Markus Winkler / Pixabay)
Für eine prüfungsfreie Aufnahme sind die Noten in den Fächern Deutsch, Englisch, Französisch, Mathematik sowie Natur und Technik des 1. Semesters der 3. Sekundarklasse wichtig. (Bild: Markus Winkler / Pixabay)

Wie hoch müssen neu die Notenwerte für eine prüfungsfreie Aufnahme sein?

Bisher mussten Jugendliche für die prüfungsfreie Aufnahme in alle Maturitätsschulen dieselben Notenrichtwerte erfüllen. Die fachlichen Anforderungen für die gymnasiale Matura sind höher als für die anderen Mittelschulen. Das soll neu auch in den Aufnahmebedingungen sichtbar werden. Bei der prüfungsfreien Aufnahme schauen wir die Noten in den Niveaufächern (Deutsch, Englisch, Französisch und Mathematik) sowie im Fach Natur und Technik des 1. Semesters der 3. Sekundarklasse an. Eine Note in einem Niveaufach darf neu um eine halbe Note tiefer liegen als bisher. Je nach Sekundarschultyp, von welchem eine Jugendliche kommt, sind die Notenvorgaben unterschiedlich. Die Details sind im untenstehenden Bild oder hier ersichtlich. Wichtig ist: Dies sind die Bedingungen für Jugendliche, welche im Kanton Luzern wohnen. Schülerinnen und Schüler aus anderen Kantonen müssen die Vorgaben ihres Wohnkantons erfüllen. 

Je nach Sekundarschultyp, von welchem eine Jugendliche kommt, sind die Notenvorgaben unterschiedlich.
Eine Note in einem Niveaufach darf neu um eine halbe Note tiefer liegen als bisher. Je nach Sekundarschultyp, von welchem eine Jugendliche kommt, sind die Notenvorgaben unterschiedlich. (Bild: Dienststelle Berufs- und Weiterbildung Kanton Luzern)

Welche Vorteile verspricht man sich durch die Absenkung des Notenwerts für die Jugendlichen?

Wir bauen damit Hürden ab, von denen wir wissen, dass sie nicht notwendig wären. Wir haben 2021 als Grundlage für die Änderungen die Leistungen von Berufsmaturitäts- und Fachmittelschullernenden durch die Pädagogische Hochschule PH Luzern analysieren lassen und gesehen, dass Jugendliche mit tieferen Notenwerten an der Berufsmaturitäts- und Fachmittelschule gut bestehen können. Die aufnehmenden Schulen haben zudem einigen geringeren Aufwand für Durchführung und Korrektur der Aufnahmeprüfungen, weil weniger Jugendliche die Aufnahmeprüfung absolvieren müssen.

Eine Studie der Pädagogischen Hochschule Luzern hat gezeigt, dass die Senkung des Notendurchschnitts für eine prüfungsfreie Aufnahme keine Auswirkungen auf die Qualität der aufgenommenen Lernenden hat. (Bild: Pexels / Skitterphoto)
Eine Studie der Pädagogischen Hochschule Luzern hat gezeigt, dass die Senkung des Notendurchschnitts für eine prüfungsfreie Aufnahme keine Auswirkungen auf die Qualität der aufgenommenen Lernenden hat. (Bild: Pexels / Skitterphoto)

Wie wird sichergestellt, dass die Absenkung des Notenwerts trotzdem die schulische Eignung der aufgenommenen Schülerinnen und Schüler feststellt?

Die Berufsmaturitäts- und Fachmittelschulen hatten auch bisher im Aufnahmeverfahren jeweils zwei verschiedene Bewerbungskategorien - diejenigen, die prüfungsfrei aufgenommen werden und diejenigen mit Aufnahmeprüfung. Die Untersuchung der PH Luzern hat gezeigt, dass eine Senkung des geforderten Notendurchschnitts zu keiner Veränderung in der Qualität der aufgenommenen Schülerinnen und Schüler führt. Somit können mit gutem Gewissen Schülerinnen und Schüler mit etwas tieferen Noten im Sek-Zeugnis von der Gruppe Aufnahmeprüfung in die Gruppe prüfungsfrei umgeteilt werden. Diese Jugendlichen bringen die fachlichen Kompetenzen mit, die sie für die Berufsmaturitäts- oder Fachmittelschule benötigen.  

 

Die Aufnahmeprüfung hat aber auch einen Wert: Wir haben in dieser Untersuchung auch gesehen, dass Jugendliche, welche die Aufnahmeprüfung erfolgreich absolviert haben, im ersten Jahr an der neuen Schule vom Pauken für die Aufnahmeprüfung profitiert haben. Sie haben in den ersten zwei Semestern bessere Noten erzielt als ihre prüfungsfrei aufgenommenen «Gspändli». Dieser Effekt verflüchtigt sich aber nach dem ersten Jahr wieder. Zudem lautet unser Auftrag, die Berufsmaturität zu stärken und für Jugendliche attraktiv zu machen. Dazu gehört eben auch, unnötige Hürden abzubauen. 

Jugendliche, welche die Notenwerte für eine prüfungsfreie Aufnahme nicht erreichen, können nach wie vor eine Aufnahmeprüfung absolvieren. Diese verändert sich ab diesem Jahr ebenfalls. Was ist hier neu?

Dieses Jahr findet die Aufnahmeprüfung für alle Berufsmaturitäts- und Fachmittelschulen am Samstag, 9. März statt - also sowohl für Sek-Schüler und -Schülerinnen, welche die lehrbegleitende Berufsmaturität absolvieren möchten, wie auch gelernte Berufsleute, welche in die Berufsmaturität nach der Lehre gehen möchten. Die Aufnahmeprüfung dauert nur noch einen halben Tag und die Konzentrationsfähigkeit der Schülerinnen und Schüler spielt für ihren Erfolg hoffentlich nicht mehr eine so grosse Rolle. Der geprüfte Stoff entspricht noch immer dem, was in der Sekundarschule gemäss Lehrplan unterrichtet worden ist. 

Einblick in eine Musterprüfung der neuen Aufnahmeprüfung für die Berufsmaturitäts- und Fachmittelschulen im Kanton Luzern. (Bild: Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern)
Einblick in eine Musterprüfung der neuen Aufnahmeprüfung für die Berufsmaturitäts- und Fachmittelschulen im Kanton Luzern. (Bild: Dienststelle Berufs- und Weiterbildung des Kantons Luzern)

 

Damit wir den Umfang der Aufnahmeprüfung verringern konnten, prüfen wir neu bei den Sprachen Deutsch, Französisch und Englisch nicht mehr alle Kompetenzen wie Leseverstehen, Textproduktion, Hörverstehen in jeder Sprache. Und bei der Mathematik wurde der Umfang der Prüfung von – je nach angestrebter Berufsmaturitätsschule – zwei Teilprüfungen auf eine Prüfung reduziert. Das bedeutet auch, dass die Mathematikprüfung neu für alle Prüfungskandidaten und -kandidatinnen einige wenige Geometrie-Aufgaben (Form und Raum) umfasst.

 

Auf Website der Dienststelle Berufs- und Weiterbildung befinden sich detaillierte Informationen zur Zusammensetzung, Gewichtung und Bestehensnorm der Aufnahmeprüfung, der Stoffplan, wie auch Musterprüfungen. Auch die alten Aufnahmeprüfung belassen wir auf unserer Website, denn sie eignen sich hervorragend um sich auf die Aufnahmeprüfung vorzubereiten.

Warum sind Deutsch, Französisch, Englisch und Mathematik so wichtig für die Aufnahmeprüfung? 

Wer die Berufsmaturität oder die Fachmaturität erfolgreich absolviert, kann mit diesem Abschluss prüfungsfrei an einer Fachhochschule oder einer Pädagogischen Hochschule studieren gehen. Die Fächer Mathematik und Deutsch, oft aber auch Englisch, spielen dabei eine zentrale Rolle – man spricht auch von basalen fachlichen Studierkompetenzen, die in diesen Fächern erfüllt sein müssen. Französisch ist für den weiteren Verlauf etwas weniger wichtig. Zumindest in Luzern sehen wir aber, dass die Französischnoten, zusammen mit der Mathematik, – sei es in der Sek oder in der Aufnahmeprüfung – eine Aussage zulässt, wie erfolgreich die Jugendlichen an der Berufsmaturitäts- oder Fachmittelschule sein werden. 

Welche langfristigen Auswirkungen werden durch die erleichterten Aufnahmebedingungen für die Schülerinnen und Schüler sowie für die Schulen erwartet?

Wir hoffen, dass sich Jugendliche vermehrt für eine lehrbegleitende Berufsmaturität entscheiden. Viele absolvieren heute die Berufsmaturität nach der Lehre. Natürlich ist das auch eine gute Entscheidung. Aber am einfachsten  geht es schon, wenn man die Berufsmaturität gleich während der Lehre macht: der Sek-Stoff ist frisch, das Lernen fällt nie leichter als dann.  

Zwei wichtige Termine für diejenigen Lernenden, welche sich für Berufsmaturitäts-, Fachmittel- oder Mittelschulen anmelden möchten: 15. Februar 2024 (Anmeldung Aufnahmeverfahren) / 9. März 2024 (Aufnahmeprüfung). (Bild: Pexels / Kaboompics)
Zwei wichtige Termine für diejenigen Lernenden, welche sich für Berufsmaturitäts- und Fachmittelschulen anmelden möchten: 15. Februar 2024 (Anmeldung Aufnahmeverfahren) / 9. März 2024 (Aufnahmeprüfung). (Bild: Pexels / Kaboompics)

Aus Sicht von 3. Sek-Schülern und -Schülerinnen: Welche Daten müssen Sie sich dick in der Agenda/auf der Handy-Agenda markieren?

Den 15. Februar 2024. Dann müssen sie sich spätestens für das Aufnahmeverfahren anmelden. Und für diejenigen, welche die Aufnahmeprüfung absolvieren müssen: den 9. März 2024. 


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