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Über Pfahlbauten, Mammuts, Ritter und Römer - an ausserschulischen Lernorten lebt Geschichte auf

Das Interview führten: Jürg Manser und Jasmin Gerig,
Bilder: Kantonale Denkmalpflege und Archäologie

Die kantonalen Fachstellen Denkmalpflege und Archäologie schützen und pflegen das  kulturelle Erbe Luzerns. An Denkmälern und archäologischen Orten quer durch den Kanton vermitteln sie Kulturgeschichte. Mit dem Besuch historischer Orte erhalten Schülerinnen und Schüler einen bleibenden Eindruck von vergangenen Kulturen und Zeiten. Über Geschichtsvermittlung und Unterricht ausserhalb der Schule sprachen Jürg Manser und Jasmin Gerig mit dem Geschichtsdidaktiker Peter Gautschi.

Bild Phalbauten Wauwil, Wauwilermoos, Denkmalpflege und Archäologie Kanton Luzern
Die steinzeitlichen Fundstellen im Wauwilermoos sind von europäischer Bedeutung. Die Fundstelle Egolzwil E3 zählt gar zum UNESCO-Weltkulturerbe «Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen»

Seit über 60 Jahren schützten und pflegen die Denkmalpflege und Archäologie das materielle kulturelle Erbe Luzerns. Zusammen mit zahlreichen Partnerinstitutionen erarbeiten die in einer Abteilung vereinten Fachstellen vielfältige Vermittlungsangebote für Schulen. Schülerinnen und Schüler aller Klassen können historische Orte ausserhalb der Schule besuchen und so einen nachhaltigen Zugang zu vergangenen Kulturen und Zeiten gewinnen. Zu den bekanntesten ausserschulischen Lernorten unter Beteiligung der kantonalen Denkmalpflege und Archäologie gehören der Lernpfad und die Pfahlbausiedlung Wauwil, die Kiesgrube Ballwil, wo die Eiszeit erforscht werden kann oder der Denkmaltag für Schulen. Im Herbst 2019 kam mit der Rittergeschichte auf der Burg Nünegg in Lieli das erste Vermittlungsprojekt aus der Reihe Kulturabenteuer Seetal dazu. Vor wenigen Tagen wurde ein neues Schulangebot im Seetaler Ottenhusen eingeweiht, wo ein 2000 Jahre alter römischer Gutshof Zeugnis aus der frühgeschichtlichen Zeit ablegt: Römischer Gutshof Ottenhusen (Bilder von der Eröffnung weiter unten/ Webcam

 

Prof. Dr. Peter Gautschi, Leiter des Instituts für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen der Pädagogischen Hochschule Luzern, und sein Team unterstützen geschichtskulturelle Institutionen wie die Denkmalpflege und Archäologie bei ihren Vermittlungsprojekten. Entsprechende Unterstützung gab es beim Projekt «Kulturabenteuer Seetal». Mit Peter Gautschi sprachen der Leiter der Dienststelle Denkmalpflege und Archäologie, Jürg Manser und die wissenschaftliche Mitarbeiterin Jasmin Gerig, über Geschichtsvermittlung und das Interesse am Fach Geschichte, über den Lehrplan 21 und ausserschulische Lernorte, über digitales und analoges Lernen. 

 

Das komplette Interview, hier leicht gekürzt wiedergegeben, ist im Tätigkeitsbericht der Archäologie und Denkmalpflege Berichte! 2020/13 unter dem Titel Vernetzt, Seiten 40-47, abgedruckt. 

 

Bild Peter Gautschi in Zofingen
Peter Gautschi, vor dem Niklaus Thut-Brunnen in seiner Heimat- und Wohnstadt Zofingen., Bild zVg.

Peter Gautschi, brauchen wir heute überhaupt noch Geschichte?

Peter Gautschi: Klar! Heute brauchen wir Geschichte mehr denn je! 

 

Erstens trägt sie zur Bildung bei. Wir erfahren, woher wir kommen, was vorher war, warum die Welt so ist, wie sie ist. Wir leben in einem riesigen Universum des Historischen, das jeden Tag grösser wird. Ohne Geschichte irren wir blind darin umher. 

 

Zweitens trägt der Umgang mit Geschichte zur Ausbildung von kritischem Denken bei. Wir lernen, mit Materialen aus der Vergangenheit umzugehen und zu beurteilen, was wahr und mit Fakten verbürgt ist. Das ist gerade in der heutigen Zeit der «Fake News» ganz zentral. 

 

Drittens hilft Geschichte beim Aufbau von individueller und sozialer Identität: Wer bin ich, wer sind wir? Was hält uns zusammen? Welches Kulturerbe wollen wir bewahren und weiterschenken? Was müssen wir verteidigen? In unserer Gesellschaft ist nichts garantiert. Auch gesellschaftlich wichtige Baudenkmäler oder Errungenschaften wie Demokratie und Menschenrechte sind schnell verloren, wenn wir uns nicht dafür einsetzen. 

 

Und viertens macht die Beschäftigung mit Geschichte Spass! Es gibt eine grosse Zahl spannender und interessanter Geschichten, und die Reise in die Vergangenheit ist eine tolle Entdeckungsfahrt.

 

Haben Sie sich immer schon mit Geschichtsvermittlung beschäftigt?

Mein Entscheid, Lehrer zu werden, fiel am Ende der Volksschulzeit. Ich beschloss, ins Lehrerinnen- und Lehrerseminar zu gehen. Und wer Lehrerin bzw. Lehrer wird, wird auch Geschichtsvermittler und Geschichtsvermittlerin. Weil schliesslich eine Hauptaufgabe von Schule ist, Kinder und Jugendliche in unsere Gesellschaft einzuführen. Dazu gehört natürlich Geschichtsvermittlung, denn wie heisst es doch so prägnant: Ohne Herkunft keine Zukunft. 

 

Mit 20 Jahren begann ich auf der Primarstufe zu unterrichten, und etwas später habe ich mich dann entschlossen, an der Universität Zürich noch ein Fachstudium aufzunehmen. Damals war für mich klar: Geschichte gehört zu meiner Fächerkombination, weil die Beschäftigung damit so faszinierend ist. Reisen durch die Zeit war schon immer mein Hobby, und mit Geschichtsvermittlung konnte ich mein Hobby zum Beruf machen. Zum professionellen Geschichtsvermittler wurde ich dann durch meine Doktorarbeit zum guten Geschichtsunterricht an der Universität Kassel.

 

Wie nehmen Sie das Interesse der Lernenden respektive der Lehrpersonen an der Geschichte wahr?

Geschichte gehört seit Jahren und in verschiedensten Ländern regelmässig zu den beliebtesten Fächern – allerdings auch zu den unbeliebtesten. Dies bedeutet, dass Geschichte polarisiert. Es gibt immer eine Reihe von Schülerinnen und Schülern und Lehrpersonen, die von der Geschichte ebenso fasziniert sind wie ich und die sie sehr gerne betreiben. Letztmals haben wir die Beliebtheit der Fächer 2011/2012 erforscht. An der damaligen Untersuchung nahmen 359 Jugendliche teil. Ihr Alter betrug im Durchschnitt 16.9 Jahre. Damals kam Geschichte von 15 Fächern der Sekundarstufe II auf den vierten Platz, knapp hinter Englisch, Turnen und Sport sowie Geographie.

 

Auch bei angehenden Lehrerinnen und Lehrern ist Geschichte als Schulfach beliebt. Das Fach wird von vielen Studierenden gewählt. Im Gegensatz dazu stellen wir fest, dass an Universitäten die Beliebtheit des Faches abnimmt. Das ist ein Grund, weshalb wir an der Pädagogischen Hochschule mit anderen Hochschulen zusammen den neuen Studiengang «Geschichtsdidaktik und öffentliche Geschichtsvermittlung» lanciert haben, der auf ausgesprochen positive Resonanz in der ganzen Schweiz gestossen ist. Das Attraktive an diesem Studiengang ist, dass er sowohl auf eine akademische Laufbahn als auch auf eine Laufbahn bei geschichtskulturellen Institutionen wie Museen, Archiven, der Denkmalpflege oder im Tourismus vorbereitet.

 

Das Interesse an Geschichte ist also nach wie vor gross, aber wir müssen dafür sorgen, dass es so bleibt, auch und vor allem, weil im neuen Lehrplan 21 Geschichte leider kein eigenständiges Fach mehr ist.

 

Bild Kulturabenteuer Seetal - Rätsel lösen
Kulturabenteuer Seetal: Auf der Suche nach dem verschwundenen Siegel auf der Burg Nünegg

Wie wird heute im Unterricht nach Lehrplan 21 Geschichte vermittelt?

Der Lehrplan 21 setzt für den Unterricht Leitplanken in drei Zyklen: nämlich im Kindergarten und den ersten beiden Schuljahren der Primarstufe, dann im zweiten Zyklus von der dritten bis zur sechsten Klasse und im dritten Zyklus auf der Sekundarstufe I von der siebten bis zur neunten Klasse. Geschichte ist nirgendwo als eigenes Fach aufgeführt. In der Primarstufe ist es dem Fachbereich «Natur, Mensch, Gesellschaft» zugeordnet. Das führt dazu, dass historisches Lernen – beispielsweise zur Entstehung der Eidgenossenschaften – integriert im Sachunterricht stattfindet.

 

Gesamteuropäisch ist zu erkennen, dass sich jetzt auf der Primarstufe eine Unterteilung zwischen Naturwissenschaften und Gesellschaftswissenschaften ausdifferenziert, was ich sehr begrüsse und was auch dem sogenannten Harmos-Konkordat entspricht, mit dem in der Schweiz die Bildungsbereiche für die obligatorische Volksschule festgeschrieben sind.

 

In der Sekundarstufe I sind ebenfalls zwei verschiedene Möglichkeiten der Inszenierung von historischem Lernen zu erkennen. Zum einen wird Geschichte integriert in «Räume, Zeiten, Gesellschaften» angeboten. Dies ist für Lehrpersonen anspruchsvoll, weil noch kein überzeugendes theoretisches Konzept für diesen Lernbereich und auch kein integriertes Lehrmittel vorhanden sind. Selbst bei Schulbüchern, bei denen aussendran «Räume, Zeiten, Gesellschaften» steht, sind die meisten Kapitel fachspezifisch, entweder Geschichte oder Geographie oder politische Bildung.

 

Vielerorts und in einigen Kantonen wird explizit historisches Lernen im separaten Fach Geschichte angeboten. Wir haben diese Entwicklung unterstützt, indem wir im Verlag Klett und Balmer das Lehrmittel «Zeitreise» entwickeln konnten. Dies ist in der Deutschschweiz jetzt sehr gut eingeführt und hat zur Folge, dass historisches Lernen wie früher fachspezifisch unterrichtet wird, was zur Ausbildung der zwingend notwendigen Denkoperationen enorm wichtig ist.

 



Spielen Pfahlbauerinnen, Römer und das Leben im Mittelalter im LP21 noch eine Rolle?

Die Epochen Ur- und Frühgeschichte, Antike sowie Mittelalter spielen in der Primarstufe im zweiten Zyklus eine wesentliche Rolle und werden dort thematisiert. Dies hilft, dass Kinder und Jugendliche in den Blick bekommen, wie sich die Lebensformen der Menschen grundlegend geändert haben.

 

Thematisiert werden diese Epochen zum Beispiel anhand gesellschaftlicher Grundbedürfnisse, mit denen man aufzeigen kann, wie sich zum Beispiel das Wohnen, die Kleidung oder die Ernährung in jenen Epochen verändert haben. Dies führt insbesondere auch zur Ausbildung eines Zeitbewusstseins, das für das historische Denken zentral ist. Aus diesem Grunde hat sich die Chronologie als bedeutsames Ordnungs- und Thematisierungsprinzip beim historischen Lernen trotz vieler kritischer Einwände immer wieder gehalten und ist nach wie vor aktuell.

 

Die genannten Epochen sind für die Thematisierung im Unterricht auch deshalb relevant, weil die Kinder in ihrer Umgebung auf Überreste dieser Zeit treffen. Wer sich also zum Beispiel mit dem Leben im Mittelalter beschäftigt hat, dem gehen im wahrsten Sinne des Wortes «die Augen auf». So unterstützt denn Geschichte gewissermassen «Augmented Reality» – selbst wenn sie analog vermittelt wird, weil die Wahrnehmung unserer gegenwärtigen Umgebung angereichert wird durch das Wissen, dass hier einmal Pfahlbauerinnen und Pfahlbauer gelebt haben, dass hier ein römischer Gutshof gestanden hat, dass hier Menschen auf der Burg gewohnt haben.

 

Auf der Burg Nünegg das Mittelalter kennenlernen
Auf der Burg Nünegg: Hier erfährt man eine Geschichte aus dem Mittelalter, erzählt aus der Sicht von Ritter Johann.

Welche Vorteile bietet das ausserschulische Lernen?

Vergangenheit ist bekanntlich vergangen. Dies erschwert das Unterrichten ungemein, weil die primäre Anschauung in den allermeisten Fällen kaum möglich ist. Nun erlauben aber originale historische Schauplätze, dass wir auf materielle Überreste stossen, die zwar in den allermeisten Fällen fragmentarisch oder auch nachgebaut sind, die aber trotzdem helfen, uns Vergangenheit besser vorstellen zu können.

 

So sind denn Burgruinen, Plätze, Schlossgärten, Häfen, Stadtmauern oder Kirchen bestens geeignet, dass wir uns das Leben in dieser Umgebung vorstellen können. Es wird eine Aura erzeugt, die faszinieren kann. An ausserschulischen Lernorten wird also die Imagination erleichtert. Zudem gibt es eine ganze Reihe von erprobten Möglichkeiten, wie Kinder und Jugendliche vor Ort aktiviert werden können.

 

Hier spielen Rätsel eine grosse Rolle, wie wir das auch beim Kulturabenteuer Seetal auf der Nünegg umgesetzt haben. Exkursionen und ausserschulische Lernorte bringen dann besonders viel, wenn Schülerinnen und Schüler Menschen begegnen, die mit der Sache viel zu tun haben. Das können Expertinnen oder Experten sein, das können Schauspielerinnen oder Schauspieler sein, die in die Rollen von früher schlüpfen, oder das können natürlich auch Geschichten über Menschen sein, die früher an diesen Orten gelebt haben.

 

Auch im Lehrplan 21 wird im Übrigen auf die grosse Bedeutung von solchen ausserschulischen Lernorten aufmerksam gemacht. Eine Kompetenz soll sein: Die Lernenden können sich an ausserschulischen geschichtlichen Bildungsorten zurechtfinden und sie zum Lernen nutzen. Geschichtskultur ist neben der Schweizer Geschichte, der Weltgeschichte und der Politischen Bildung auf der Sekundarstufe I der vierte zentrale Bereich zum Aufbau von historischem Lernen.

 

Schliesslich führt ausserschulisches Lernen auch zum Kulturerbe und zeigt, wie wichtig es ist, Überreste zu erhalten. Wer eine Ruine, eine alte Kirche, eine Brücke von früher selber gesehen und dabei verstanden hat, wie mit diesen Bauwerken gelebt wurde, der wird sich auch dafür einsetzen, dieses Kulturerbe zu erhalten, zu schützen und der nächsten Generation zu schenken. 

 

Das Kulturabenteuer Seetal funktioniert bewusst ohne digitale Hilfsmittel. Hat Vermittlung ohne digitale Hilfsmittel noch eine Existenzberechtigung?

Ganz sicher! Gerade in Zeiten des digitalen Wandels bekommt die primäre Anschauung neues Gewicht. Das, was man begehen, umrunden, betasten, ergreifen kann, das begreift man leichter. Erst so verstehen wir Geschichte und Gegenwart. Kein Wunder boomt Geschichte in der Öffentlichkeit – vor allem und gerade dort, wo diese primäre Anschauung funktioniert.

 

Allerdings ist es zentral wichtig, dass die Vermittlung klug konzipiert ist. Es reicht nicht, ein Objekt ins Museum oder in die Landschaft zu stellen und zu glauben, dass dann die Vermittlung funktioniert. Menschen müssen im Umgang mit Geschichte immer sichtbar werden, weil es das ist, was Menschen interessiert.

 

Das Anfassen und Benutzen von Gegenständen trägt zum Verständnis bei. Es dauert unendlich lange, bis ich mit Worten erklärt habe, wie ein Spinnrad funktioniert. Wenn ich es aber vorzeigen kann und wenn Menschen das dann nachmachen können, dann hält sich der Erklärungsaufwand in Grenzen. Und natürlich bleibt eine solche Erfahrung viel besser angeeignet, als wenn ich dazu einen Text gelesen oder eine Erklärung gehört habe.

 

Was reizt Sie persönlich am Projekt «Kulturabenteuer Seetal»?

Kulturvermittlung vor Ort ist für unsere Gesellschaft zentral. Lange Zeit galt das Motto «Grabe, wo du stehst!», um deutlich zu machen, dass wir wissen sollen, wo wir in der Welt stehen, und zwar sowohl konkret vor Ort als auch im übertragenen Sinne. Kulturelle Bildung führt zu einem neuen Blick auf die eigene Welt.

 

Das Seetal hat eine Reihe von ausgesprochen spannenden Orten, die mit Kulturgeschichte aufgeladen sind. An einigen Orten sieht man das auf den ersten Blick, an anderen Orten ist dies verborgen. Mit dem Kulturabenteuer Seetal gilt es jetzt, den Bewohnerinnen und Besuchern einen neuen Blick auf ihre Umgebung zu bieten.

 

Dafür braucht es Geschichten über Menschen aus der Vergangenheit, die mittels aktueller geschichtsdidaktischen Prinzipien umgesetzt werden. So entsteht «Histotainment», also bildende und unterhaltende Geschichtsvermittlung. Die tolle Zusammenarbeit mit der Luzerner Denkmalpflege und Archäologie hat es mir persönlich und uns am Institut für Geschichtsdidaktik und Erinnerungskulturen der PH Luzern ermöglicht, dies umzusetzen. Die ausgesprochen positiven Rückmeldungen zu diesem Vorhaben sind natürlich ein «Aufsteller».

 

Magazin Kantonsarchäologie am Libellenrain
In den Räumlichkeiten der Kantonsarchäologie am Libellenrain in Luzern können Interessierte Personen ArchäologInnen über die Schulter schauen und mehr über diesen Beruf erfahren..

In den ersten Monaten tauchten über 500 Personen in das Kulturabenteuer auf der Burg Nünegg in Lieli ein. Überrascht Sie das?

 

Es ist immer schwierig, vor der Eröffnung einer Vermittlungsinszenierung vorauszusagen, ob es klappen wird. Geschichtsvermittlung ist Design Science: wir müssen etwas ausprobieren, dann genau hinschauen, was funktioniert und was zu optimieren ist, danach optimieren, wieder genau hinschauen und weiter verbessern.  

 

Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass eine Inszenierung gleich von Anfang an relativ gut klappt. Dass schon über 500 Personen das Kulturabenteuer auf der Burg Nünegg in Lieli gemacht haben, zeugt davon, dass hier die Mund-zu-Mund-Propaganda funktioniert hat. Das Thema interessiert, der Ort fasziniert, die Geschichten fesseln. Jetzt hoffen wir natürlich, dass dies so weitergeht und dass dann die weiteren Standorte ebenfalls auf solch gute und positive Resonanz stossen. Jedenfalls sind wir sehr motiviert und geben alles dafür!

 

Ein Blick in die Zukunft: Wo und wie sehen Sie die Geschichtsvermittlung in, sagen wir, 20 Jahren?

 

Die Grundregeln von historischem Lernen und der Geschichtsvermittlung verändern sich nicht. Auch in 20 Jahren geht es darum, dass Menschen Geschichte überhaupt wahrnehmen, sich dann mit ihr auseinandersetzen, sie erschliessen, Geschichten verstehen und daraus für Gegenwart und Zukunft lernen. Dieser Prozess spiegelt eine Denkbewegung, die über 2000 Jahre alt ist und auch künftig zum Kulturgut von Menschen gehört.

 

Was sich ändert, sind die Fragen, die wir an die Vergangenheit stellen – also das «Was?» – und es ändert sich die Art und Weise des Umgangs damit – also das «Wie?». Noch wichtiger als heute wird bei der Geschichtsvermittlung sein, gute Geschichten anschaulich zu erzählen (Storytelling), Vergangenes rekonstruierend darzustellen und zu inszenieren (Living History), Mitmachformate, die zum Handeln und Mitmachen einladen, Spiele anzubieten (Gamification), mit personalisierten Formaten zu unterhalten (überzeugende Dramaturgie und Szenografie), ein vollständiges Eintauchen in andere Zeiten und Welten zu ermöglichen (Immersion), Gefühle anzusprechen und auszulösen (Emotionalisierung) sowie schliesslich Ereignisse zu kreieren, die erhöhte Aufmerksamkeit erzeugen und sinnliche sowie soziale Erfahrungen ermöglichen (Eventisierung).

 

Natürlich unterstützt der digitale Wandel viele dieser Entwicklungen, aber ich vermute sehr, dass wegen der Flüchtigkeit des Digitalen in Zukunft die Geschichtsvermittlung anhand von materieller Kultur am attraktivsten sein wird. Und hier hat die Schweiz im Allgemeinen und Luzern im Besonderen einige starke Trümpfe als Kulturerbe in der Hand.



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