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Internationale Ziele - kantonale Schule: Wie Bildung für nachhaltige Entwicklung in die Klassenzimmer kommt

Text: Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und - direktoren EDK / Vera Bergen

Die Schweiz hat sich in mehreren internationalen Abkommen verpflichtet, globale Herausforderungen wie Klimawandel anzugehen, Frieden oder Menschenrechte zu wahren. Oft spielt dabei das Bildungssystem eine Schlüsselrolle. Doch wie kommen diese grossen, oft abstrakten Ziele in den Schulalltag – insbesondere im föderal organisierten System der Schweiz?


In Kürze:

  • Globale Themen, wie z.B. internationale Abkommen zu Klimaschutz, Frieden oder Menschenrechten, finden ihren Weg an die Schulen via Bildung für nachhaltige Entwicklung BNE.
  • Die Stiftung éducation21 sorgt dafür, dass aus internationalen Vorgaben konkrete Angebote für Schulen entstehen – mit Lehrmitteln, Weiterbildungen und Projekten. 
  • Im Kanton Luzern und anderen Kantonen werden Schulen aktiv unterstützt, BNE fächerübergreifend und sichtbar im Schulalltag umzusetzen – zum Beispiel mit dem Schulnetz21.
  • BNE hilft Kindern und Jugendlichen, kritisch zu denken, eigene Meinungen zu entwickeln und Verantwortung für die Zukunft zu übernehmen.

Ob Nachhaltigkeitsziel der UNO oder die Empfehlung der UNESCO zu Bildung für Frieden, Menschenrechte und nachhaltige Entwicklung - Eines haben alle internationalen Vorhaben, welche die Schweiz im Rahmen ihrer Aussenpolitik unterstützt, gemeinsam: Die Vorgaben sind zwar global, die Umsetzung findet aber auf kantonaler Ebene und in den Gemeinden wie etwa an den Volksschulen statt. Um komplexe Themen in eine vermittelbare Form zu bringen, wurde das weltweite Aktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung – kurz BNE – entwickelt.

Die Rolle von éducation21 – Vermittlerin zwischen Systemen

Porträt des Luzerner Bildungs- und Kulturdirektors Armin Hartmann. Mit blauem Jacket und rot-gemusterter Krawatte
Der Luzerner Bildungs- und Kulturdirektor Armin Hartmann ist auch Stiftungsratspräsident von éducation21. (Bild: Philipp Schmidli)

Damit die Umsetzung von BNE inmitten von internationalen Abkommen an den Schulen gelingt, braucht es eine Instanz, die zwischen Bund, Kantonen und Schulen vermittelt. Diese Aufgabe übernimmt die Stiftung «éducation21», das nationale Kompetenzzentrum für BNE. Sie sorgt dafür, dass aus internationalen Zielen praxistaugliche Angebote für Schulen werden. éducation21 übernimmt die Übersetzungsarbeit – von der globalen Vision hin zum lokal passenden Lehrmittel. «Das ist eine anspruchsvolle, aber zentrale Aufgabe», sagt der Luzerner Regierungsrat Dr. Armin Hartmann in seiner Funktion als Stiftungsratspräsident von éducation21. Die Stiftung entwickelt Unterrichtsmaterialien, organisiert Weiterbildungen, begleitet Schulen bei Projekten und sorgt für Qualitätssicherung. 

Mehrere Kinder in einer Wiese mit Wasser, welche mit Netzen nach Tieren im Wasser suchen.
BNE ist kein neues Fach, sondern eine inhaltliche Ausrichtung, welche allen Disziplinen als Orientierung dient und auch die Schulen als Ganzes prägt. Sie muss deshalb fächerübergreifend angegangen werden. (Bild: zVg)

Was bedeutet BNE für die Schule konkret?

Porträt Martina Krieg
Martina Krieg ist als Leiterin der Dienststelle Volksschulbildung im Kanton Luzern dafür zuständig, dass die Leitidee BNE im Unterricht verankert wird.

In der Schweiz wurde das pädagogische Konzept der BNE mittlerweile in allen sprachregionalen Lehrplänen der obligatorischen Schule aufgenommen. Auch auf Sekundarstufe II ist Bildung für nachhaltige Entwicklung inzwischen fester Bestandteil des Lehrplans. Es geht dabei nicht nur um Umweltschutz, sondern um einen breiten Bildungsansatz: Demokratie, globale Zusammenhänge, gerechte Gesellschaften. «BNE bietet Lehrpersonen konkrete Unterstützung – sei es in der Planung, im Unterricht oder bei Projekten mit der Klasse. Es geht darum, Themen wie Nachhaltigkeit verständlich, altersgerecht und lebensnah in den Alltag einzubinden», sagt Martina Krieg, Leiterin der Dienststelle Volksschulbildung DVS im Kanton Luzern. Die DVS ist dafür besorgt, dass die Leitidee BNE im Unterricht verankert wird. Die Angebote von éducation21 mit ihren Unterrichtsideen unterstützen Schulen dabei.

 

Für Lernende bedeutet das: Sie erwerben Kompetenzen, um unsere Welt aktiv und verantwortungsbewusst mitzugestalten. Für Lehrpersonen heisst das: Sie erhalten Methoden und Materialien, um solche Themen fachübergreifend und lebensnah zu unterrichten. Der Luzerner Bildungs- und Kulturdirektor Armin Hartmann bringt es folgendermassen auf den Punkt: «BNE zeigt, dass sich internationale Verpflichtungen und lokaler Bildungsalltag nicht ausschliessen, sondern sinnvoll ergänzen können. Es geht nicht um Ideologie, sondern um eine praxisnahe, qualitativ gute Vermittlung.» 

Eine Gruppe Jugendlicher einer Schule in Emmen arbeitet gemeinsam an einer Aufgabe aus dem BNE-Bereich.
Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) als gesamtschulischer Ansatz: Nachhaltigkeit wird nicht nur gelernt, sondern gemeinsam gelebt – durch Visionen, Unterricht und Teamarbeit. (Bild: zVg)

Wichtige Filterfunktion

Der BNE-Themenkreis wird leicht durch Weltbilder und Werthaltungen beeinflusst. Es ist Aufgabe der Schule, diese Themen neutral und objektiv zu vermitteln. Lernende sind in ihrem kritischen Denken zu fördern, damit sie sich daraus eine eigene Meinung bilden können. Um die Objektivität der Inhalte sicherzustellen, ist privaten Organisationen, aber auch staatlichen Stellen, der direkte Zugang in die Schulen zu verwehren. Es braucht zwingend eine Filterfunktion. Die Stiftung éducation 21 wurde auch gegründet, um diese Filterfunktion wahrzunehmen. Friktionen und Diskussionen über Inhalte und die Grundlagen der Vermittlung konnten seither deutlich reduziert werden. Das System ist ein Erfolg. 

Wie macht das der Kanton Luzern?

Ein Beispiel: Eine Schule führt ein Vorhaben zu Recycling oder «fast or fair fashion» durch. Den Lernenden werden auch Methoden vermittelt, wie sie Problemlösestrategien entwickeln, argumentieren lernen, kooperieren und kritisch reflektieren. Auch Gedankenexperimente mit der Zukunftsmaschine sind beliebt, mit denen sich Lernende mit der Welt in 20 Jahren auseinandersetzen und ihre eigene Zukunft gestalten. Die Schule wird im Umfeld ihres sozialen Raums zu einem realen Labor. «Dafür arbeiten wir eng mit dem Schulnetz21 der Stiftung éducation21 zusammen und unterstützen Schulen aktiv dabei, BNE umzusetzen. Besonders wichtig ist uns, dass Themen fächerübergreifend - beispielsweise über Wirtschaft, Mobilität, Gesundheit - vermittelt und im Schulleben spürbar werden», so Martina Krieg weiter. 

«Wir brauchen eine Schule, die junge Menschen ernst nimmt – in ihrem Denken, ihren Fragen und ihrem Handeln. BNE hilft genau dabei: Sie macht aus Jugendlichen Gestalterinnen und Gestalter der Zukunft.»

Armin Hartmann, Bildungs- und Kulturdirektor Kanton Luzern

Internationale Ziele brauchen lokale Umsetzung

Klar ist, internationale Vereinbarungen allein verändern noch keine Schule. Aber durch die Zusammenarbeit von Bund, Kantonen, Schulen und Institutionen wie éducation21 wird aus globaler Verantwortung konkrete Bildung. Die Schweiz zeigt mit ihrem Ansatz, wie grosse Ziele alltagstauglich gemacht werden können. Damit diese Arbeit langfristig wirkt, braucht die Stiftung eine gesicherte Finanzierung – durch Bund und Kantone. Oder wie Armin Hartmann es formuliert: «Wir brauchen eine Schule, die junge Menschen ernst nimmt – in ihrem Denken, ihren Fragen und ihrem Handeln. BNE hilft genau dabei: Sie macht aus Jugendlichen Gestalterinnen und Gestalter der Zukunft.»


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